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»Handfeste Gründe« für den Stadtautobahnring

■ Stadtplaner fordern den Ausbau der Autobahn A 10 zu einem geschlossenen Ring/ Die vom Senat geplante »Drei-Viertel-Lösung« überlaste Hauptstraßen in Wedding und Prenzlauer Berg/ Autobahnring wäre aber auch verstopft

Berlin. Die bisherigen Autobahn- Ausbaupläne des Senats sind nach Ansicht von Stadtplanern beim Institut für Strukturanalyse, Orts- und Regionalplanung »regioplan« ungenügend. Da die Stadtautobahn A 10 (Wedding, Wilmersdorf, Schöneberg, Tempelhof) nur zu drei Vierteln zu einem Ring ausgebaut werden soll, werde der Autoverkehr auf dem restlichen Viertel die Stadtstraßen völlig überlasten und die »soziale Struktur« auf wichtigen Hauptstraßen in Wedding und Prenzlauer Berg zerstören.

Die beiden Stadtplaner Wilfried Maximilian Pohl und Manfred Zache, die für Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) ein Gutachten »für die Entwicklung Berlins zum Dienstleistungszentrum« erarbeitet haben, schlagen deshalb vor, einen kompletten Stadtautobahnring zu realisieren.

Bisher plant der Senat, die A 10 von Neukölln nur bis zur Frankfurter Allee in Lichtenberg zu verlängern, und den Verkehr von dort über die Ostsee-, Bornholmer-, Osloer- und Seestraße auf das nördliche Ende der A 10 in Wedding zu lenken. Der Arbeitstitel des Rings, der aus drei Vierteln Autobahn und einem Viertel Hauptstraßen bestehen soll, heißt: »Mittlerer Straßenring«.

Wieviel Verkehr jemals auf dem Mittleren Ring fließen wird, vermag regioplan nicht anzugeben. »Kein Mensch kann das heute voraussagen«, begründet Pohl das Fehlen von Zahlen, »weil in Berlin zwei Stadthälften zusammenwachsen und sich dadurch die Verkehrsbeziehungen in den kommenden zehn Jahren vollständig ändern werden.« Unbestritten sei, daß das Verkehrsaufkommen massiv wachsen werde. Die Zahl der Autos werde sich auf das Niveau westdeutscher Städte erhöhen und damit verdoppeln. Auf der anderen Seite fehlten — zum Teil durch die Spree und den Tiergarten bedingt — wichtige Verbindungen zwischen Ost und West. Auf den vorhandenen Verbindungen wie die Straße des 17. Juni, die Straße Unter den Linden oder die Friedrichstraße soll kein oder nur kaum noch Autoverkehr fließen.

Für die Realisierung des Autobahnrings in den östlichen Bezirken gebe es darüber hinaus weitere »handfeste Gründe«. Beispielsweise fehle es an Hauptstraßen zwischen der Leninallee und Neukölln oder Wedding. Wenn der Durchgangsverkehr aus dem Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings (1,1 Millionen Einwohner) herausgehalten werde, aber kein geschlossener Autobahnring existiere, müßte der Verkehr auf vorhandenen Straßen wie der Bornholmer Straße fließen. Dann sei aber vorprogrammiert, daß die Blechlawine das gewachsene Milieu kaputtmache. Straßen mit vielen Geschäften, Kneipen und Anwohnern sollten in erster Linie dem öffentlichen Nahverkehr, insbesondere der Straßenbahn, vorbehalten bleiben, sagt Pohl.

Zache betont, daß sich die Fachwelt und auch alle Parteien darin einig seien, daß am S-Bahn-Ring neue Dienstleistungszentren entstehen sollen. Durch die dezentrale Lage der Arbeitsburgen am West- und Ostkreuz, sowie »Nordkreuz« (S-Bahn-Station Gesundbrunnen) und »Südkreuz« (Sachsendamm) werde auch der Verkehr dezentralisiert und weitgehend aus der Innenstadt herausgehalten. Allerdings bestehe Dissenz darüber, wie gut die insgesamt vier Zentren verkehrstechnisch miteinander verknüpft werden könnten. Wer eine Schließung des Autobahnrings verhindere, mache möglicherweise einen Teil der Ansiedlung von Dienstleistungsgewerbe gerade dort unmöglich, denn gerade in diesem Wirtschaftssektor sei die Mobilität besonders intensiv.

Ihr Vorschlag, sagen Pohl und Zache, werde der gewünschten »integrierten Lösung« gerecht. Stadtentwicklung und Verkehr seien gemeinsam berücksichtigt worden. Der Autobahnring sei dabei aber nur ein Aspekt. Sie drängen auch auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, besonders die Anbindung östlicher Stadtrandbezirke mit U- und S-Bahn. An den Bahnstationen des S-Bahn-Rings müßte es ausreichend Park-and-Ride-Möglichkeiten geben, damit die Autofahrer, die in die Innenstadt wollen, am Ring von der Straße auf die Schiene umsteigen können.

Trotz aller Anstrengungen aber werde der Autobahnring mit Autos verstopft sein — sollte er jemals vollendet werden. Pohl und Zache verweisen in diesem Zusammenhang auf die Pariser »Perepherique«. Der dortige Autobahnring sollte die City der französischen Hauptstadt entlasten, inzwischen staut sich aber auch dort der Verkehr.

Vielleicht wäre es an der Zeit, einen internationalen Wettbewerb zur Stadtentwicklung und Verkehrsplanung auszuschreiben, denkt Zache. Jedenfalls sollten Verkehrsplaner nicht erst nach den Gutachten, sondern von Anfang an in die Planung eingebunden werden. Dirk Wildt

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