Laßt den Dienstleistungsabend sausen und geht tanzen!

■ DAG fordert Einzelhandel auf, am 30. April den Ladenschluß zu verkürzen

Gemeinsam in den Mai tanzen. Mit dieser Forderung ging die Deutsche Angestelltengewerkschaft jetzt an die Öffentlichkeit. Damit Beschäftigte (die Verkäuferinnen also) und Verbraucher gemeinsam auf's Parkett können, soll der Einzelhandel doch bitte am 30. April auf den Dienstleistungsabend verzichten. „Die Einzelhändler sollten einmal über ihren Schatten springen“, hofft die DAG-Sekretärin Karin Peetz, da das Ladenschlußgesetz am Tag vor dem 1. Mai keine Sonderregelung vorsieht, die Läden also bis 20.30 Uhr geöffnet sind.

„Wir sind sicher, daß eine solche Entscheidung von den Beschäftigten positiv aufgenommen wird“, meint die DAG. Denn an diesem Abend werde auch das Kundenverhalten verändert sein.

Zieht es die Gewerkschaften so an ihre Wurzeln zurück? In die Zeit, als Maifeiern für's arbeitende Volk eine der wenigen Chancen auf freie Zeit und Freizeitvergnügen war? Bahnt sich da etwa ein Arbeitskampf gegen den (längst gescheiterten) Dienstleistungsabend durch die Hintertür an?

Wie war das noch? Hatte die Partei in den Anfängen der „Maifeierbewegung“ nicht immer wieder besonders die Frauen motiviert, zu den Demonstrationen zu kommen: „Verabsäumt nicht, mit den Kindern Euch am Spaziergang zu betheiligen.“ Die Arbeiterinnen sollten ihre schulpflichtigen Kinder morgens festlich gekleidet zur Schule schicken und ihre Einkäufe nicht am 1. Mai erledigen, damit „die Maifeier ihre befreienden und belebenden Strahlen auch in die Geschäftsläden wirft.“ (“Lokalgeschichte Bremer Maifeiern“, K. Dyck und J. Joost-Krüger)

Die Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ hatte diesen Appellen jedoch mißtraut und sich (1909) nur nach massivem Protest dazu bewegen lassen, ihre Verkaufsläden am 1. Mai zu schließen — damit die Beschäftigten mit zur Maifeier konnten. Die Genossenschaft fürchtete Umsatzeinbußen: Sie glaubte, die Kundinnen würden sich nicht in Konsumverzicht üben, sondern zur Konkurrenz der „Rabattsparvereinskrämer“ gehen.

Und sie sollten recht behalten: Natürlich gingen die Frauen einkaufen. Das zumindest wiesen die Lagerhalter mit den Bilanzen ihrer „Kassabücher“ nach. Die Arbeiterfrauen seien eben „noch lange nicht so geschult, wie es sein müßte“, fand die Partei eine Erklärung. Nur deshalb hätten sie die Aufrufe, am 1. Mai nicht einzukaufen, nicht befolgt.

Warten wir's also ab.

taz