Scherf und Kröning im Schulkampf

■ Bildungssenator will nur langfristig sparen / Weniger Lehrer, mehr Schüler

Für ihn hat das Land Bremen nicht mehr soviel Geld wie bisherFoto: Jörg Oberheide

Zwischen Bildungssenator Henning Scherf und Finanzsenator Volker Kröning steht ein heftiger Kampf um Lehrerstellen bevor. Der Grund: Am Dienstag will Henning Scherf dem Senat vorstellen, mit wieviel LehrerInnen er die Bremer Schulen bis ins Jahr 2.000 bringen will. Und in diesem Konzept ist von den Auflagen, die der Senat Scherf im Januar gemacht hatte, nichts mehr übrig.

120 Lehrerstellen im Jahr 1992 und 110 Stellen im kommenden Jahr, diesen bitteren Obulus sollte Scherf laut Senatsbeschluß auf

hier foto shüler

dem Altar des Sparens opfern. „Wir kriegen das nicht realisiert“, sagt Scherf jetzt, nachdem seine Beamten noch einmal gerechnet haben. Scherfs trickreicher Schluß aus dem Dillemma: Wenn schon nicht kurzfristig viel, dann soll langfristig viel mehr gespart werden. So sollen bis zum Jahr 2.000 gleich 500 Lehrerstellen eingespart werden. Die Rechnung geht so: Wenn gegenwärtig 5.512 LehrerInnen 71.949 SchülerInnen unterrichten, dann müßten es für die statistsich vorausgesagten 78.316

SchülerInnen des Jahres 2.000 eigentlich 5.750 PädagogInnen sein. Die tatsächliche Zahl soll bis dahin aber auf 5.250 LehrerInnen sinken.

Bis zu diesem Zeitpunkt werden rund 1.400 Stellen frei werden. „Ohne Neubesetzungen von Stellen kommen wir nicht aus“, ist sich Scherf sicher. Deshalb möchte er rund 80 Prozent wiederbesetzen. Denn: Zum einen müsse er der Überalterung des Lehrerkollegiums entgegenwirken, zum anderen müsse in Fächern, in denen bereits Lehrermangel herrsche, eingestellt werden können.

Gleich für dieses Jahr möchte Scherf 60 freiwerdende Stellen neu besetzen. Da nach den Rechnungen seines Hauses überhaupt nur 94 Stellen freiwerden, bliebe ein Spareffekt von gerade 34 Stellen, rund 90 weniger als verlangt.

Um langfristig sparen zu können, will Scherf in den Schulen die Standards verändern. Konkret heißt dies:

Die Klassenfrequenzen sollen beginnend in den Klassen eins und fünf von 25 auf 27 SchülerInnen angehoben werden. Dabei sollen ausländische Kinder künftig als 1,5 Kinder zählen.

In der gymnasialen Oberstufe und den Berufsschulen soll die durchsschnittliche Schülerzahl um einen auf 22,5 angehoben werden.

In den Gesamtschulen Ost, West und Mitte sollen in einer Klasse künftig 20 statt 18 Schüler die Bank drücken.

Die Zahl der Lehrerstunden je Klasse soll zunächst um eine gesenkt werden. Das bedeutet, daß weniger Zeit für Diffenzierung im Unterricht bleibt.

Die Schulen sollen nicht mehr wie bisher von vornherein KollegInnen für Krankenvertretung zugewiesen bekommen, die dann ganz regulär eingesetzt werden. Statt dessen sollen die Schulen Geld bekommen, mit dem sie im Krankheitsfall selbst kurzfristig Vertretungen bezahlen können.

Um Unterrichtsausfall zu verringern, sollen Fortbildungsveranstaltungen verstärkt außerhalb der Unterrichtszeit angeboten werden.

„Dafür werde ich Prügel bekommen“, weiß Scherf, der mit diesen Überlegungen erstens sparen und zweitens gemäß Koalitionsauftrag auch noch innovativ sein will.

„Das klingt gut, geht an der Realität aber völlig vorbei“, meinte dagegen gestern der Vorsitzende des Personalrates Schulen, Pit Spieß. Die Zahl der Schüler ließe sich nicht „mal eben“ so erhöhen, da die meisten Bremer Schulen relativ klein seien. „Wenn da 66 Schüler für die fünfte Klasse angemeldet werden, dann kann ich nicht einfach aus drei Klassen zwei machen.“

Heftiger Ärger steht Scherf aber nicht nur mit Lehrern, Eltern und Schülern bevor, sondern auch mit einem, der nicht viel mehr sparen will. Inzwischen hat nämlich Finanzsenator Volker Kröning dem Bildungssenator den Fehdehandschuh hingeworfen. Für den kommenden Dienstag hat er ebenfalls eine Senatsvorlage schreiben lassen, die die Idee von Scherf aufgreift und bis zum Jahr 2.000 vorausplant. Dabei kommt Kröning zu wesentlich drastischeren Stellenstreichungen als Scherf. Und an einem läßt der Finanzsenator schon gar nicht rütteln: Scherf soll weiterhin dafür sorgen, daß 230 Stellen in 92/93 gespart werden. Neueinstellungen soll es nicht geben.

Das Vorgehen Krönings, eine eigene Senatsvorlage zu einem Thema vorzulegen, daß in einem anderen Ressort angesiedelt ist, ist absolut ungewöhnlich. „Das hat es seit dem 2. Weltkrieg nicht gegeben“, war aus dem Bildungsressort zu hören. hbk