Von Isolierung der Türkei keine Spur

Der britische Außenminister Hurd sieht „Propagandakrieg“ gegen die Türkei/ PKK steht der Entfaltung der neuen Großmacht am Balkan im Wege/ Syrien macht Zugeständnisse  ■ Aus Istanbul Ömer Ezeren

Ein so markiger Spruch wie „Ein kurdischer Staat ist unmöglich“ war den türkischen Tageszeitungen schon eine Schlagzeile wert. Schließlich stammte sie nicht von irgendeinem türkischen Politiker, sondern vom britischen Außenminister Douglas Hurd, der für einen mehrtägigen Staatsbesuch in die Türkei gereist war. Die türkischen Kolumnisten waren des Lobes voll ob seiner Äußerungen. „Ich habe nie an ein unabhängiges Kurdistan geglaubt. Die Kurden leben in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien. Realistisch sind die Kurdenführer Talabani und Barzani, die innerhalb der irakischen Grenzen Autonomie fordern, ohne die territoriale Integrität des Staates anzutasten.“ Die blutige Unterdrückung der kurdischen Unabhängigkeitsbestrebungen in der Türkei und der angekündigte „Vernichtungsfeldzug“ gegen die kurdische Guerilla PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) stießen offensichtlich bei dem Briten auf Verständnis. Die Todesschüsse des türkischen Militärs auf kurdische Zivilisten zu Newroz, dem kurdischen Frühlingsfest, waren kein Thema. Statt dessen konferierte man darüber, wie dem „Propagandakrieg“ gegen die Türkei zu begegnen sei. Hurd: „Ich habe erfahren, daß die türkischen Sicherheitskräfte entschlossen sind, im Rahmen der Gesetze zu wirken. Die Türkei muß den Propagandakrieg gewinnen. Ich bin höchst erfreut, daß die Regierung bezüglich der Menschenrechte rechtliche Veränderungen anstrebt.“ Ganz im türkischen Sinne wurde die PKK als „terroristische Organisation“ von dem durch die IRA gebeutelten Briten eingestuft. Die deutsche Haltung zur Türkei teile man nicht.

Das deutsche Waffenembargo hat die Türkei nicht militärisch, aber in ihrer Reputation getroffen. Von einer internationalen Isolation kann aber nicht die Rede sein. Bereits der Besuch des französischen Staatspräsidenten Francois Mitterrand vor zwei Wochen wurde als Erfolg verbucht. Die alten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich, erfahren im feinen Balancieren auf dem Boden der Machtpolitik, wollen ebenso wie die USA die Türkei nicht verprellen; diente sie doch als treuer Verbündeter im Golfkrieg, als Stützpunkt für Interventionen im Nahen Osten, als Kooperationspartner für die kapitalistische Durchdringung der Turk-Republiken in der ehemaligen Sowjetunion und — oft vergessen — als Macht, die versucht, im Balkan Fuß zu fassen. Nicht umsonst zitierte der einflußreiche Kolumnist Cengiz Candar in der größten türkischen Tageszeitung 'Sabah‘ jüngst den bosnischen Außenminister Haris Slazic mit Worten vom Juni vergangenen Jahres: „Deutschland hat bekanntgegeben, daß es Slowenien und Kroatien, zwei katholische Republiken, anerkennen wird. Dann wird sich ein germanisch-habsburgischer Einflußbereich bilden, aber auch ein osmanischer. Wenn die Slowenen und Kroaten zu den Deutschen rennen, so werden wir Moslems nach Istanbul rennen.“ Großmachtallüren werden in der türkischen Politik gang und gäbe. „Wir werden nicht zulassen, daß Sarajewo zu einem zweiten Dubrovnik wird“ soll Ministerpräsident Süleyman Demirel den Bosniern zugesagt haben.

Bürgerkriegsähnliche Zustände in Türkisch-Kurdistan und das politische Erstarken der PKK sind der Klotz am Bein für den Aufstieg der Türkei zur starken Regionalmacht, die im Balkan, im Kaukasus und auch bei der Zukunft des Irak mitreden will. Der „Vernichtungsfeldzug“ gegen die PKK ist daher ganz im Rahmen dieser Politik. Mittelfristig soll die kurdische Minderheit Zugeständnisse erhalten — jedoch erst nach der totalen Zerschlagung politisch unabhängiger Organisationen wie der PKK. Als Staatspräsident Turgut Özal in dieser Woche mehrmals den Vorschlag unterbreitete, ein kurdisches Fernsehprogramm einzurichten, winkte Demirel ab: „Noch ist die Türkei nicht reif dafür.“ Demirel befürchtet, daß im Augenblick ein solcher Schritt als Schwäche des türkischen Staates ausgelegt werden kann — als Zugeständnis an den bewaffneten Kampf der PKK. Die Gespräche des türkischen Innenministers Ismet Sezgin vergangene Woche in Damaskus konzentrierten sich fast ausschließlich auf die PKK, deren Zentrale unter syrischer Duldung sich in der libanesischen Bekaa-Ebene befindet. Ganz gelegen kam den Türken, was die USA am Beispiel Libyen vorexerzieren. „Beweisen Sie, daß Sie kein terroristisches Land sind“, will Sezgin dem syrischen Diktator Hafiz Assad gesagt haben. Die Annäherung zwischen den USA und Syrien während des Golfkrieges war für die Türken schon ein gutes Omen. Auch Sezgins Visite wurde als Erfolg verbucht. Verteidigungsminister Nevzat Ayaz ließ sich sogar zu folgender Aüßerung hinreißen: „Jetzt ist es nicht mehr nötig, daß wir die Bekaa- Ebene bombardieren.“ Syrien hatte erstmalig zugesagt, gegen die PKK vorzugehen. PKK-Anhänger seien verhaftet worden, und Ausbildungslager der Organisation würden geschlossen, hieß es in türkischen Presseberichten, die wohl eher dem Wunschdenken denn der Realität entsprachen. Syrien wird keinen großen Schlag gegen die PKK führen, doch der Aktionsradius der Guerilla in Syrien ist kleiner geworden.