Mit dem Knüppel gegen Expo-KritikerInnen

■ Festgenommene berichten von Mißhandlungen durch die spanische Polizei/ Auswärtiges Amt eingeschaltet

Madrid (taz) — Fünf Tage nach der Eröffnung der Expo sitzen noch immer elf GegendemonstrantInnen in Sevilla in Untersuchungshaft. Wie berichtet, war es am vergangenen Sonntag im Laufe einer Spontandemonstration von etwa 400 Menschen gegen die Weltausstellung zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, bei der drei Menschen durch Schüsse der Ordnungshüter verletzt und zahlreiche DemonstrantInnen festgenommen wurden. Unter den 36 Festgenommenen waren zahlreiche AusländerInnen, darunter 15 aus der BRD. Sie waren nach Sevilla gekommen, um an einer Veranstaltungsreihe gegen die Feiern zum 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas und gegen die Expo teilzunehmen. Am Tag darauf knüppelte die Polizei ein Protest-Sit-In vor einem Expo-Eingang auseinander. Dabei nahm sie 20 TeilnehmerInnen und PassantInnen — drei aus der BRD — fest. Am Dienstag schließlich umstellte die Polizei einen Campingplatz in Mairena del Alcor, 25 Kilometer von Sevilla entfernt, auf dem TeilnehmerInnen des Gegenkongresses untergebracht waren und nahm alle Anwesenden fest. 24 AusländerInnen wurden zwei Tage darauf vom Richter auf freien Fuß gesetzt, allerdings sofort in Abschiebegewahrsam gebracht. Heute wird ihre Abschiebung an die französische Grenze erwartet.

Nach Angaben der Menschenrechtsvereinigung in Madrid wurden Anwälte in den ersten Tagen am Zutritt zu den Festgenommenen gehindert. Mehrere Festgenommene berichteten, daß sie in Polizeihaft mißhandelt wurden. Man sprach von Schlägen und verweigerter ärztlicher Hilfe. Darüber hinaus klagten Inhaftierte darüber, daß sie zu wenig Essen bekommen. Zwei bei der Expo akkreditierte deutsche Journalisten, Karl Rössel und Herbert Sachs, die die Gegendemonstrationen verfolgten, werden seither nach eigenen Angaben von der spanischen Polizei observiert. Nach Beobachtung Festgenommener richtete sich das Vorgehen der spanischen Polizei besonders gegen AusländerInnen.

Ein Großteil der festgenommenen Deutschen — von denen drei wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Störung der öffentlichen Ordnung jetzt in U-Haft sitzen — war in einem Bus des Kölner Reiseunternehmens „Extra-Tour“ nach Sevilla gekommen, um an den Gegenveranstaltungen teilzunehmen. Dritte- Welt-Gruppen, christliche Organisationen und Autonome hatten zu der Polit-Reise aufgerufen.

Die spanische Polizei führte als Beweise für die „Subversivität“ der Festgenommen Infomaterialien an, die auf dem Campingplatz gefunden worden sind. Diese Materialien enthielten den Ablauf der Veranstaltungsreihe, die einen Vortrag des französischen Philosophen Roger Garaudy, ein Open-Air Konzert und Debatten mit Indios über die Entdeckung Amerikas vorsah.

Von einer Zensur gegen Expo-KritikerInnen könne keine Rede sein, erklärte der Sprecher der spanischen Botschaft in Bonn, Sánchez, der taz: In Spanien herrsche „absolute Meinungsfreiheit“. Innenpolitisch hat das harte Vorgehen der Polizei für Beunruhigung gesorgt. Die „Izquierda Unida“ forderte Innenminister Corcuera auf, die Vorgänge im Parlament zu erklären.

Die deutsche Botschaft in Madrid „informierte“ gestern die spanischen Behörden über die Vorwürfe der Inhaftierten, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. In mehreren deutschen Städten planen GegnerInnen der 500-Jahr-Feierlichkeiten für Montag Protestveranstaltungen vor spanischen Einrichtungen. -ant-/dora