Mossad wollte PLO-Flüchtlinge in Norwegen für Attentate werben

Oslo (taz) — Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad haben im Januar letzten Jahres in Oslo versucht, mehrere PLO-Anhänger für Terroreinsätze zu gewinnen. Die Anwerbungsversuche geschahen bei längeren Verhören, bei denen sich die Mossad-Leute mit Wissen und Zustimmung des norwegischen Geheimdienstes den Asylsuchenden gegenüber als Norweger und Spezialisten für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten ausgaben. Zumindest bei den Anwerbeversuchen von zwei der Flüchtlinge saßen auch norwegische Polizeibeamte dabei, ohne einzugreifen. Diese Aussagen von 19 palästinensischen Flüchtlingen vor einem nichtöffentlichen Untersuchungsausschuß des Parlamentes sind gestern in Oslo durch Meldungen der 'Aftenposten‘ und im Rundfunk bekannt geworden.

Erste Einzelheiten der Affaire waren im September durchgesickert. Geheimdienstchef Svein Urdal hatte zugelassen, daß Asylsuchende, die vorher in der PLO aktiv gewesen waren, von getarnten Mossad-Agenten befragt worden waren. Die israelischen Geheimdienstler waren von ihren norwegischen Kollegen mit gefälschten norwegischen Pässen ausgestattet und als norwegische Palästina-Spezialisten vorgestellt worden. Die Geheimdienstaktion wurde offiziell scharf verurteilt, ein Untersuchungsausschuß eingesetzt. Urdal mußte gehen, die Flüchtlinge erhielten allein aufgrund der Verhöre durch den Mossad politisches Asyl.

Ihre Angaben vor dem Ausschuß ergaben Erstaunliches. Ein ehemaliger PLO-Offizier hat nach den Berichten ausgesagt, der getarnte Mossad-Agent habe ihm in Anwesenheit der ruhig zuhörenden norwegischen Beamten folgendes „Geschäft“ vorgeschlagen: Er solle nach Zypern eingeschleust werden, dort einen Mordanschlag auf Abu Nasser, den stellvertretenden Führer einer palästinensischen militanten Gruppe verüben, mit Mossad-Hilfe nach Norwegen zurückkehren und dort die norwegische Staatsbürgerschaft erhalten. Anderen Flüchtlingen waren „Aufgaben“ in Algerien vorgeschlagen worden, so Kontaktaufnahmen zu ehemaligen MitkämpferInnen und der Versuch, eine „Widerstandsgruppe“ zu bilden. Wieder andere gaben zu Protokoll, daß sie auffallend über den PLO-Führer Abu Ihad ausgefragt worden seien, teilweise aus Angst sehr exakte Angaben gemacht hätten und sich nun große Vorwürfe machten: Abu Ihad kam inzwischen bei einem Anschlag ums Leben. Zumindest ein Flüchtling bemerkte auch, daß er bei den Verhören verdeckt gefilmt wurde und ein Tonband mitlief. Die norwegische Polizei hatte bislang immer behauptet, daß alle Verhöre ohne Film- oder Bandaufzeichnungen durchgeführt worden seien. In Oslo wird mit Spannung erwartet, wie Geheimdienst und Polizei die ihnen jetzt vorgeworfene indirekte Beihilfe zur Anstiftung zu Terroranschlägen erklären werden. Reinhard Wolff