Mitstreiter sollen Stolpe entlasten

Stolpe kündigt Offensive an und würdigt die Arbeit der Gauck-Behörde/ Brandenburger CDU-Fraktion erstmals auf hartem Konfliktkurs/ SPD-Abgeordneter auf Distanz zu Stolpe  ■ Aus Berlin Mathias Geis

„Die Fragen, die auf dem Tisch liegen, müssen von mir heute beantwortet werden.“ Mit dieser Selbstaufforderung kündigte der brandenburgische Ministerpäsident Manfred Stolpe gestern eine bevostehende Entlastungsoffensive gegen den Verdacht einer früheren Stasi-Mitarbeit an. In der 'Berliner Zeitung‘ erklärte Stolpe, er wolle jetzt von sich aus stärker auf die Klärung der Vorwürfe drängen und nicht bis zu seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuß des brandenburgischen Landtages im Mai warten. Da ihn die evangelische Kirche von seiner Schweigepflicht entbunden habe, könne er „ab sofort viel mehr tun“.

Das wünscht jetzt auch die CDU- Fraktion im Potsdamer Landtag, die sich gestern erstmals der harschen Kritik des CDU-Landesverbandes anschloß. Stolpe habe es bisher vermieden, sich mit dem vorliegenden Belastungsmaterial inhaltlich auseinanderzusetzen und habe sich statt dessen in „Desinformation und Verdrehung“ geflüchtet. Seinen „Lippenbekenntnissen“, selbst an einer umfassenden Aufklärung interessiert zu sein, seien keine Taten gefolgt. Statt dessen habe der Ministerpräsident „keine Gelegenheit ausgelassen, die Öffentlichkeit zu täuschen“. Bislang hatte der CDU- Fraktionschef in Potsdam, Peter Michael Diestel, gegenüber Stolpe einen eher zurückhaltenden Kurs vertreten, während CDU-Landeschef Ulf Fink den Regierungschef aufgefordert hatte, sein Amt bis zur Klärung der Vorwürfe niederzulegen.

Unterdessen kündigte Stolpe an, daß weitere innerkirchliche „Mitstreiter“, mit denen er sich früher in Sachen Stasi-Kontakte abgesprochen hätte, demnächst mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit gehen würden. „Wir haben“, so Stolpe, „eine Verabredung, daß wir bald gemeinsam einmal antreten müssen.“ Es wäre, ließ Stolpe leise Kritik anklingen, „vieles leichter gewesen“, wenn nach seiner Erklärung im Januar auch andere kirchliche Mitarbeiter ihre Stasi-Kontakte preisgegeben hätten. Es hänge am Wochenende von den Entscheidungen des Rates der evangelischen Kirche (EKD) ab, wie man sich in dieser Frage verhalten werde. Der Berliner Probst Hans-Otto Furian sowie der Magdeburger Bischof Christoph Demke hätten bereits öffentlich angedeutet, daß sie „von Dingen wußten“. Als weitere „Mitstreiter“ Stolpes gelten mittlerweile die Kirchenvertreter Reinhardt Richter, Siegfried Plath und Hans Martin Harder.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse kritisierte in diesem Zusammenhang die Kirchenleitung, sie verstecke sich hinter Stolpes Rücken. Die Verantwortlichen hätten längst erklären müssen, was damals möglich und notwendig gewesen sei. Schließlich gehe es nicht nur um Stolpe, sondern um das diffizile Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR.

Nach der heftigen Kontroverse um die Aussagekraft des Stolpe-Gutachtens verteidigte der Ministerpräsident gestern die Arbeit der Akten- Behörde. Es müsse beachtet werden, daß Gauck und seine Mitarbeiter sich von ihrem gesetzlichen Auftrag her nur auf das beziehen könnten, was sie in den Akten vorfänden. Die Stasi- Akten müßten als „wichtige Indizien bei der Rekonstruktion bestimmter zeitgeschichtlicher Zusammenhänge“ betrachtet werden. Es gebe kein anderes Instrument als die Materialien der Stasi-Behörden, um einen Einstieg in das Thema Staatssicherheit zu finden. Als ausschließliche Beurteilungsgrundlage der Wirklichkeit in der früheren DDR allerdings seien die Akten ungeeignet.

Auch Joachim Gauck versuchte sich mit entspannenden Äußerungen zur Rolle der Kirche in der DDR. Er habe auch früher immer Verständnis dafür gehabt, daß sich die Kirchenleitung in Konfliktsituationen anders äußern mußte als die oppositionellen Basisgruppen. Gerüchte über Rivalitäten aus DDR-Zeiten zwischen ihm und Stolpe wies Gauck zurück. Stolpes Popularität führte Gauck auf seine Rolle als Hoffnungsträger für die Ostdeutschen zurück.

Erstmals distanzierte sich ein Vertreter der SPD in Ostdeutschland von dem brandenburgischen Ministerpräsidenten. Der Vorsitzende der SPD-Landesgruppe Sachsen im Bundestag, Gunter Weißgerber, erklärte, er halte es für „eine Angelegenheit der Redlichkeit, wenn Herr Stolpe die Amtsgeschäfte ruhen lassen würde, bis die Vorwürfe geklärt sind“. Wenn im Fall Stolpe die Maßstäbe angewendet würden, die für jeden Straßenkehrer gälten, „sehe ich im Moment in Anbetracht der Vorwürfe keine andere Lösung“.