piwik no script img

Ein kleiner Grenzverkehr

■ „Die Anderen“: Polnisches Ensemble führt deutsches Tanztheater in Syke urauf

Ein junger Jazzkomponist aus Hannover schreibt ein Ballettwerk und wendet sich damit forsch an ein renommiertes Ensemble im polnischen Poznan. Dort ist man erst skeptisch, bald aber berührt von der Intensität der Vorlage: Im Ballett „Die Anderen“ von Matthias Horndasch geht es um die Annäherung zweier Kulturkreise, um Ausgrenzung, Verstoß. Während man sich im Osten an die Umsetzung von Libretto und Musikvorlage macht, sucht sich Pianist Horndasch im Westen eine Band. Bei einem Besuch in Posen bringt Sykes Stadtdirektor sein Theater ins Spiel, als Produktions- und Premierenort und als Geldgeber. Ostern trifft man in Syke aufeinander, nach fünftägiger Probenzeit ist schließlich Premiere. Der Spiegel im Spiegel: Ein Filmteam dokumentiert den Prozeß der Annäherung mit Blick auf Programmkinos und Fernsehen.

Als sich am Ende die Anspannung löste, wurden TänzerInnen, Musiker und die Choreographin Ewa Wycichowska ganze zehn Minuten lang mit standing ovations umjubelt. Gesehen hatte man eine Stunde lang eine überaus kraftvolle Verbindung von modernem Tanztheater und klassischen Elementen, von den 16 AkteurInnen präzise bis an den Rand der Erschöpfung ausgespielt. Ewa Wycichowska war es gelungen, die etwas simplen, von der Science-Fiction inspirierten Vorlage mit einem einfachen Kniff zu beflügeln: Die Gruppe der „Irdischen“ tanzte mit eckigen und zwanghaft anmutenden Bewegungen wie eine aus den Fugen geratene peer group — dagegen setzte die Choreographin die um Harmonie ringende Schar der „Anderen“ mit weichen, fließenden Figuren.

Es gelangen archaische Bilder vom Scheitern des Miteinander und Füreinander, in manchen Momenten spektakulär. Die Musik war das nicht. Vielleicht aus Kostengründen hatte Horndasch sich aufs jazzklassische Trio (Piano: er selbst; Baß: Laurent Fradelizi; Schlagzeug: Uwe Schmidt) beschränkt, und das war gut so. Denn in breiterer Instrumentierung hätte seine sinfonisch konzipierte, von Chick Corea und frühem Art-Rock beeinflußte Musik manchmal wohl allzu seicht geklungen. So aber blieb trotz durchscheinendem Eklektizismus und etwas üppig zitierten Stilarten auch die Musik abwechslungsreich und dennoch homogen, mit verdientem Anteil an der finalen Begeisterung. Den durften auch die MitarbeiterInnen des Syker Kulturamtes für sich verbuchen. Sie sind, nicht erst seit Freitag, in der Kultur ganz beachtlich engagiert. Rainer Köster

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen