Ausgeräumte Träume

■ Die Angestelltenkammer stellte ihr Frauentheaterprojekt vor: am Ende ein Werkstattgespräch

Selbstverständlich sind wir Frauen schlicht und ergreifend Unterdrückte. Aber zusätzlich sind wir auch noch Objekte unserer eigenen Selbsterfahrungsbegierde. Müssen wir darum immer wieder von unserer Wahrheit eingeholt und auch theatralisch dingfest gemacht werden? Vielleicht muß es tatsächlich sein — schöner und unterhaltsamer wäre, wenn nicht.

Das jetzt zu Ende gegangene Frauentheaterprojekt der Angestelltenkammer wollte auch nicht zum Unterhalten antreten. Geplant war, innerhalb eines Jahres zu den Themen Macht und Quotenregelung eine Aufführung zu erarbeiten und diese hinzukriegen. Unter keiner geringeren Fragestellung als der, wie Kultur für Frauen aussehen kann. Was wir schon immer mal wissen wollten. Am Samstag abend wurden „Ergebnisse“ in einem „Werkstattgespräch“ vorgeführt und mit Video-Einlagen unterfüttert. Versehen mit einer geradezu erschütternden Offenherzigkeit der fünf vornesitzenden Projektfrauen.

Das Projekt scheint sich nämlich vor allem, sagen wir mal: durch große Schwierigkeiten ausgezeichnet zu haben. Vermutlich ausgelöst durch den Zusammenprall von professionellerer Erwartung und Wirklichkeit der Laiinnen, die da kamen auf eine Anzeige hin, im einzelnen Lehrerinnen, Therapeutinnen, Verwaltungsangestellte.

Barbara Kleinitz, Schauspielerin mit Regie-Erfahrung und Projekt-Leiterin mit extra ABM- Stelle, wollte „für sich antesten“, Frauen „Raum und Zeit“ zu geben, um „ihre eigenen Bilder entstehen zu lassen“. Dieses sollte erreicht werden mithilfe von Ausdrucksübungen, Assoziieren, Beobachten, Sprache, Atmen etc. Schon bald verhedderten sich aber Improvisationswillige und Klarstrukturistinnen, sieben Übereinkommende blieben übrig. Soweit die etwas dröge Versuchsanordnung.

Was wir sehen an diesem Abend, das sind Versatzstücke eines Versuchs, „ein Improvisationspuzzle aufführbar werden zu lassen“. Das sind leicht verschwommene Laien-Spielerinnen mit quasi professionellen Wirklichkeiten. Momentaufnahmsweisen zwischen Psychodrama, Rollenspiel und visualisierter Traumreise über Ängste, Aggressionen, Blockaden, Arbeitslosigkeit, Mutter-Tochter, Mann-Frau, kurzum: Macht- Ohnmacht. Frauentheater also als frauenspezifisches Theater und eine Mischung aus Lindenstraße und Selbsterfahrungsworkshop.

Zu Anfang schwenken tapfer losgelöste Frauen zu Cha-Cha- Cha-Rhythmen sich selbst und auch einzwei Kleinkinder durch einen öden Raum. Das macht schon mal Spaß, jedenfalls den Beteiligten. Dann wird der Ausdruck mit schwenkbaren Tüchern verfeinert, und auch die eigene Stimme kann eingebracht werden. Durch die nächsten Videospielchen zieht sich die Geschichte einer imaginären Rosi: verheiratet, Kinder, abgebrochen studiert, arbeitslos, infolge depressiv. Rosi mit Mutter, mit Mann, mit Tochter. Rollenspiele mit hohem Wiedererkennungswert und einer immensen Tristesse, was aus uns eine Art Depressions-Voyeure macht. Da sitzen Paare wie zu Tode erschöpfte Sparrings-Partner am Tisch und bekämpfen sich besprechend.

Auch schwebetänzeln in bunten Umhängen sogenannte „Hüllenfrauen“ — Hülle für Rolle — über die Großleinwand, raunen Wünsche und stehen für Tagträume und abzuwerfende Werte. Das hat viel unfreiwillige Komik, aber durchaus auch eine Ästhetik der anrührenden Ungeschliffenheit. Zum Thema Befreiung dann winden sich welche aus Müllsäcken und Plastiktüten und machen viel knisternden Wind dabei. Gegen Ende leider nehmen Abstraktion und Körperübungen zu und konfrontieren uns Wildfremde mit peinsam endloser Selbstausdrückung in Form von simuliertem Vogelflug und stampfender Bioenergetik.

Mit der insgesamten „Konfliktinflation“ hat man sich ein Bein gestellt und ist zwangsläufig auch drüber gestolpert. Aber schließlich, so meinen alle, war das Arbeiten an den Bausteinen wichtiger als fremdartiges Aufführen; auch das eigene Auf- Richten sei geübt worden. Einzelne geknickte Fremde sind da in Kauf zu nehmen. Claudia Kohlhase