ICE soll sich in Berlin »selbstbewußt« darstellen

■ Architekturgespräch über Inter-City-Express-Bauten (ICE)/ Drei Entwürfe vorgestellt/Was wird aus den Stadtbahnviadukten?

Berlin. Bei der Projektierung des innerstädtischen Teils der Schnellbahnstrecke nach Hannover »geht es eher darum, das für Berlin wichtige Thema Eisenbahn-Ingenieurbaukunst in der Stadt fortzuschreiben, als ein neues Kapitel aufzuschlagen«. So euphorisch wie allgemein beschrieb Senatsbaudirektor Hans Stimmann vergangenen Freitag die Aufgabe der an dem Ausbauvorhaben beteiligten Architekten und Ingenieure. Der neue superschnelle InterCity-Express (ICE), solle sich der Bedeutung entsprechend »selbstbewußt im Stadtbild darstellen und nicht verstecken«, sagte Stimmann auf der Diskussionsveranstaltung im Rahmen der von ihm initiierten »Architekturgespräche«. Konkret wurde dies am Thema der Brücken und Stadtbahnviadukte, der für den ICE notwendigen Streckennebengebäude, Schallschutzkonstruktionen sowie Oberleitungsmasten deutlich. Erstmals stellten die drei vom Senat als baukünstlerische Berater der planenden Ingenieurbüros eingesetzten Architekten öffentlich ihre Zwischenentwürfe vor.

Wegen des engen designerischen Spielraums sind die Bahnarchitekten wahrlich nicht zu beneiden: Da ist einmal der Bauherr Reichsbahn, der aus Kostengründen auf wartungsfreundliche, aber ansonsten potthäßlich postmoderne Bundesbahn-Regelbauten aus Beton oder Stahl drängen muß. Auf der anderen Seite hat der Landeskonservator ein gewichtiges Wort mitzureden: Die vor über hundert Jahren überwiegend in Form eines Mauerviadukts errichtete Stadtbahnstrecke, über die der ICE von Spandau kommend 1997 bis zum Hauptbahnhof rollen soll, gilt als eisenbahntechnisches Baudenkmal allererster Ordnung.

Hinsichtlich der zu sanierenden Brücken auf der Stadtbahntrasse fand der Architekt Axel Oestreich mit seinen Lösungsvorschlägen den meisten Beifall. Der für den Bauabschnitt zwischen Spandau und Charlottenburg eingesetzte Architekt regte an, die Brücken zwar, wo nötig, mit einheitlichen Stahlbetonüberbauten zu versehen, aber die außenliegenden Rollenwiderlager mit Konsolen zu erhalten. Die Konsolen möchte Oestreich nur neu verklinkern. Im Effekt wirke die Brückenoptik nach wie vor lebendig und aufgeteilt. Ferner schlug Oestreich vor, daß Schallschutzwände von den Brückenaußenseiten zurückgesetzt werden, damit die Geländer weiterhin dominierendes Gestaltungselement sind. Ob der Kompromiß aus Neu und Alt auch technisch dauerhaft ist, so Oestereich, müsse allerdings noch untersucht werden.

Auf dem Stadtbahnabschnitt zwischen Lehrter Bahnhof und Hauptbahnhof seien künstlerisch ausgeprägte Brückengeländer leichter zu befestigen, erläuterte der für diesen Bereich auserkorene Architekt Siegfried von Hopffgarten. Grund: Um die Probleme der Dichtigkeit und des schlechten Zustandes ein für allemal zu lösen, will die Reichsbahn auf den Stadtbahnviadukt eine dicke Betonplatte setzen. Hopffgarten plädierte jedoch statt für ein Geländer für eine massive Brüstung, weil diese in der Nachbarschaft hoher Häuser »ein bißchen mehr Geborgenheit ausstrahlt«. Außerdem wollte der Architekt an der Kante des Viadukts neben den Brückenfeldern partout noch ein Stahlprofil anordnen, »so daß das Material Stahl ins Auge springt«.

Was dem Verkehrsmittel Eisenbahn in Berlin immer gut zu Gesicht gestanden habe, sei der preußische »Mut zur Kargheit«, befand der für den Senat koordinierende Architekt Helge Pitz. Er forderte weniger »Gestalten«. Demgemäß bevorzugt die Senatsbauverwaltung für die ICE- Oberleitung einen genormten Stahlgittermast [Immer noch besser als ein verformter Stahlgattermist! d. säzzer], obwohl die Reichsbahn für die Stadt verschiedene gefälligere Varianten entwickeln ließ. Der zehn bis zwölf Meter hohe Norm-Masttyp besteche durch seine »Klarheit und Einfachheit«, hieß es unter teilweise heftigem Widerspruch. Mehr noch als die Masten wurden 2,50 Meter hohe Schallschutzwände vom Publikum in Frage gestellt. Da der ICE sowieso nur mit 60 Sachen über die Stadtbahn rolle, bedürfe es dort nicht derart umfänglicher Lärmschutzmaßnahmen, daß von der Strecke »nichts mehr zu sehen« sei, erklärte Professor Mahnleitner vom Berliner Architekten- und Ingenieurverein (AIV). Es müßten »andere Lösungen« gefunden werden, stimmte ihm Nicolaus Kapp von der Bauverwaltung zu. Allein einem Spandauer Bürger war das ganze Palaver um die ICE-Bahnbauwerksgestaltung »schietegal«. »Daß ich als Spandauer mit der S-Bahn auch nach Berlin komme«, schien ihm dringlicher. Thomas Knauf