Der Sieger konnte 96mal in der Stunde

■ Marzahner Hähne krähten um die Wette/ Mit jedem Krächzer wuchsen die Besitzer ein Stückchen mit

Marzahn. Sonntag morgen in Marzahn, mit regungslosen Gesichtern sitzen sechs Männer vor einer Reihe von Käfigen und starren auf ihr Federvieh: Eine Stunde lang krähen die Hähne im Kleintierhof um die Wette, die Züchter werfen ihrem Geflügel flehende Blicke zu. Mit jedem Ton des Tieres wachsen die Besitzer ein kleines Stückchen, davon ungerührt belohnen die Zähler jeden noch so heiseren Versuch mit einem Strich auf dem Block. Der Klang sei egal, erklärt gewichtig ein Schiedsrichter, »der große hat einen vollen dunklen Klang, die Kleenen nur so ein Krächzen, das kann man doch nicht vergleichen.«

»Liebe Teilnehmer am Wettkrähen«, beginnt Hofleiter Rüdiger Hermsdorf nach den 60 alles entscheidenden Minuten seine Ansprache zur Siegerehrung und läßt dabei offen, ob er die Hähne oder doch nur ihre Besitzer meint. 21 Tiere wurden auf ihr Männlichkeitsgehabe hin getestet. Der Sieger konnte 96mal in einer Stunde, eine wahrhaft reife Leistung. »Schließlich rechnet man den Chabo zu den feurigen Italienern«, erklärt der stolze Besitzer Günther Gedde.

Die größeren Tiere seien meist faul, Platz 2 geht folgerichtig für 72 Krächzer an den Zwerg-Paduaner Hermsdorfs.

Immerhin 36mal krähte der Sebright der Jugendgruppe des Kleintierhofs, auch die Kinder erhalten einen kleinen Pokal. Schließlich soll das Krähen und die anschließende Tierschau besonders »junge Menschen an dieses schöne Hobby heranführen«, wie Hermsdorf betont. Die Marzahner Rassegeflügelzüchter betrachten sich und den Hof als ein Stück »öffentliche Naherholung für die Schließfachbewohner des Bezirks« und, so Hermsdorf, »vielleicht stellt ja heute jemand fest, daß wir eine dufte Truppe sind«. Hintergrund der Äußerung ist, das die Existenz des Hofes gefährdet ist, wenn dieser nicht von einer kommunalen Trägerschaft in eine freie überführt werden kann. Christian Arns