Grüner Kompromiß um Giftmüllofen

Der Parteitag der hessischen Grünen billigt gegen Widerstand aus der Region Sondermüllofen in Biebesheim  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Langgöns (taz) — „Die Grünen lügen uns offen ins Gesicht!“ Ursula Hammann von der Bürgerinitiative „AG Umwelt“ gegen einen dritten Giftmüll-Verbrennungsofen im südhessischen Biebesheim konfrontierte Umweltminister Joschka Fischer mit einer Presseerklärung der Landtagsgruppe der Grünen aus dem Jahre 1987. Die oppositionellen Grünen unter ihrem Fraktionschef Joschka Fischer schäumten damals gegen Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU), der in Biebsheim den Bau eines dritten Riesenofens für die Sondermüllverbrennung angekündigt hatte: „Eine Fehlentscheidung ersten Ranges“. Die CDU/ FDP-Landesregierung habe sich „skrupellos über alle regionalen und kommunalen Bedenken hinweggesetzt“.

Doch „Regieren geht über Studieren“ (Fischer). Auch die SPD/Grünen-Landesregierung hat sich für den Bau des dritten Giftmüllofens entschieden und damit, so Jürgen Schellhaas von der BI „Crumschter gegen SVA“, den Grünen das „Messer in den Rücken“ gestoßen. Da saßen die Grünen auf der Landesversammlung ihrer Partei am vergangenen Sonnabend in Langgöns betroffen auf ihren Bürgerhausstühlchen. Und Schellhaas sattelte noch drauf: „Wir haben bald Kommunalwahlen. Da werden den Grünen in der Region alt aussehen.“

Der Antrag von vier Kreisverbänden und zahlreichen Ortsvereinen, die Verbrennungskapazität auf maximal 60.000 Tonnen pro Jahr zu begrenzen und bei Inbetriebnahme des dritten Ofens eine der beiden alten Schadstoffschleudern abzuschalten, fand auf dem Parteitag dennoch keine Mehrheit. Der von den Grünen aus der Region scharf angegangene Joschka Fischer hatte seinen Parteifreunden nämlich die „einzige Alternative“ zum Ofenbau und zur Option auf die Verbrennung von mehr als 60.000 Jahrestonnen vorgestellt: Wer gegen das Konzept der Landesregierung opponiere, setze weiter auf den Giftmüllexport nach Schönberg. Hessen dürfe aber seine Sondermüllprobleme nicht länger auf dem Rücken anderer Länder und Regionen lösen. Fischer: „Unsere Parteifreunde in Schönberg und Lübeck werden sich bedanken, wenn wir ihnen unseren Chemieabfall weiter vor die Tür kippen.“

Nach zweistündiger engagierter Debatte und einer „Denkpause“ dann doch noch der ersehnte und mit großer Mehrheit verabschiedete Kompromißantrag: Der von der SPD befürwortete Jahresdurchsatz von 90.000 Tonnen Giftmüll wird abgelehnt. Bis zum Jahre 2000 dürfen nur bis zu 60.000 Tonnen verbrannt werden. Dafür darf Fischer alle drei Öfen für die Probeläufe des neuen dritten Ofens noch ein Jahr lang parallel betreiben. Erst danach muß einer der beiden Altöfen abgerissen werden. Kommentar eines Bürgerinitiativlers: „Mehr war für uns heute nicht drin.“