Vandalen auf dem Jüdischen Friedhof

■ Fünfundfünzig Grabstellen verwüstet/ Staatsschutz ermittelt/ Politische Motivation wird bezweifelt

Weißensee. Die Verwüstungen auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee sind weit größer, als nach dem ersten Rundgang am Sonntag nachmittag angenommen wurde. Innensenator Heckelmann hat die Beschädigungen der Grabmäler auf das schärfste verurteilt und dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Galinski, zugesagt, daß die Polizei alles unternehmen wird, um der Täter habhaft zu werden. Der Leiter des Friedhofes, Manfred Alpern berichtete gestern, daß nicht 30 sondern mindestens 55 Grabstellen aus der Jahrhundertwende zerstört oder beschädigt wurden. An den betroffenen Gräbern südlich der Friedhofsmauer wurden die Säulen aus den Verankerungen gerissen, Grabsteine umgeworfen und zerbrochen sowie einige der in die Friedhofsmauer eingelassene Grabplatten beschädigt. Die jungen Bäume um diese Gräber wurden umgehackt. Es ist der erste größere Fall von Vandalismus auf diesem weltweit berühmten Friedhof. Die Beschädigungen wurden am Sonntag vormittag, während einer Führung festgestellt und am Nachmittag von Polizeipräsident Georg Schertz und Heinz Galinski, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, besichtigt. Inzwischen hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. Allerdings mehren sich die Zweifel, ob hinter dieser Schändung politisch motivierte Täter stehen. Im Unterschied zu ähnlichen Zerstörungsakten — im vergangenen Jahr in Baden- Württemberg, Baden, Hessen und auf dem Friedhof von Adass Jisroel in Berlin fanden sich keine Farbschmierereien mit Nazisymbolen. Nicht ausgeschlossen ist, daß die Verwüstungen ein Racheakt von ehemaligen auf dem Friedhof arbeitenden ABM-Kräften war. Schon seit zwei Jahren beklagt sich die Friedhofsleitung, daß das Arbeitsamt ihnen überwiegend »notorische Trinker« zuweist. Im vergangenen Jahr erschreckten ihre O-Töne in einem Dokumentarfilm von Michael Trabitsch. Völlig unverholen äußerten viele von ihnen eine eindeutige Sympathie mit den Rechtsextremisten. Auch die Hinterlassenschaft der Täter weist auf Ortskundige hin. Die Polizei fand auf der Friedhofsmauer eine langstielige Axt, die auch aus dem eigenen Werkzeugarsenal stammen könnte. Sicher hingegen sei, daß die Täter viel Zeit hatten. Der Friedhof war von Donnerstag nachmittag bis Sonntag früh geschlossen. aku