Serbische Führung auf dem Irrweg

Die Gründung der neuen „Bundesrepublik Jugoslawien“ zeigt die Nervosität der serbischen Führung und dokumentiert ihre internationale Isolation/ Demokratische Opposition hat versagt  ■ Von Erich Rathfelder

Die serbische Führung ist nervös geworden. Angesichts der internationalen Isolation versuchte sie mit großer Eile, die „Bundesrepublik Jugoslawien“ aus der Taufe zu heben. Indem sie die Rechtsnachfolge des alten jugoslawischen Staates für sich sichern will, hat sie gleichzeitig die serbische Politik in eine Sackgasse manövriert. Die Hast erklärt sich zwar aus dem Wunsch, die Sitze des alten Jugoslawien in der UNO, der KSZE und anderen internationalen Institutionen (Weltbank, Gatt) zu behalten. Auch die Bundesarmee kann nach der Staatsgründung von dieser „Bundesrepublik Jugoslawien“ offiziell übernommen werden, so wie andere Bundesinstitutionen auch. Die serbische Führung möchte weiterhin das Vermögen des alten Staates sichern. Angesichts des Schuldenberges von über 18 Milliarden Dollar ist dies allerdings eine sehr fragwürdige Forderung, wäre dann auch die Übernahme des Schuldenbergs nur logische Konsequenz.

Doch noch ist keineswegs gesichert, ob dieses Manöver auch gelingen wird. Denn es steht aus, ob die wichtigsten internationalen Gremien den neuen Staat überhaupt akzeptieren werden. Seit dem Beginn des Krieges in Bosnien ist Belgrad trotz der militärischen Überlegenheit der serbisch-montenegrinischen Seite politisch isoliert worden. Viele Mitglieder der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ signalisierten sogar, am kommenden Mittwoch nicht nur über einen Wirtschaftsboykott des neuen Staates zu beraten, sondern auch über die Aberkennung seines diplomatischen Status.

Der Schwenk der USA auf die europäische Linie hat der Politik des serbischen Präsidenten Milosevic einen schweren Schlag versetzt, versuchte dieser noch zu Beginn dieses Jahres, mit der vermeintlichen Rückendeckung der USA ein Kleinjugoslawien, das Serbien, Montenegro, Bosnien und die eroberten Gebiete in Kroatien einschließen sollte, zu erhalten. Indem aber die USA im Gleichschritt mit der EG Bosnien diplomatisch anerkannten, wurde diese Möglichkeit verbaut.

Am Freitag warnten die USA Serbien sogar davor, im Namen der Bundesrepublik Jugoslawien Gebietsansprüche an Bosnien-Herzegowina zu stellen. Damit gerät die Politik Milosevic', nämlich durch den Erhalt eines Restjugoslawien dem Anspruch des serbischen Nationalismus, alle Serben sollten in einem Staat zusammenleben, entgegenzukommen, ins Wanken. In der neuen Verfassung ist explizit darauf hingewiesen, daß auch andere Staaten ihren Beitritt zu dem neuen Gebilde erklären dürften. Hintergrund dafür ist das Kalkül, die serbischen Gebiete in Bosnien und Kroatien, die sich als selbständige Republiken definiert haben, würden diesen Schritt vollziehen können. Nach den Äußerungen der US-Administration und der EG in bezug auf die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen riskiert die serbische Führung einen internationalen Konflikt.

Eine Stütze der Politik Milosevic' ist das Bündnis mit der jugoslawischen Bundesarmee, die sich aus ideologischen und ökonomischen Gründen nicht darauf reduzieren lassen wollte, lediglich als serbische Armee zu fungieren. Die neue Bundesrepublik ist aber nicht mehr in der Lage, diese Armee zu finanzieren. Die vorsichtige Haltung des Oberkommandierenden Adzic bei den am Sonntag stattgefundenen Gesprächen mit dem bosnischen Präsidenten Izetbegovic könnte bedeuten, daß die Armeeführung langsam von der Perspektivlosigkeit ihres Krieges überzeugt wird. Dieser Annahme widersprechen die zunehmenden militärischen Aktivitäten an den wichtigen strategischen Punkten in Bosnien und auch Kroatien nicht unbedingt. Angesichts des Angebots von Izetbegovic, Bosnien könne einen Teil der Armee übernehmen, werden Spaltungstendenzen in das Offizierscorps getragen. Zweifellos wäre es von seiten der Europäischen Gemeinschaft und der USA angebracht, endlich Signale an das Offizierscorps auszusenden, bei einer Auflösung der Armee einen Rentenfonds für die Offiziere bereitzustellen. (Dies forderte der slowenische Präsident Kucan schon vor einem Jahr!) Und gleichzeitig könnte die Diskussion über die Aberkennung des diplomatischen Status für den neuen Staat ein Druckmittel sein, das Aggressionspotential auf serbischer Seite einzudämmen. Einer der Hintergedanken für die Staatsgründung war auch, sich den Anerkennungsprozeduren und den damit verbundenen Bedingungen in bezug auf Minderheiten- und Menschenrechte zu entziehen, was ja gerade in bezug auf die Albaner in Kosovo und die Ungarn in der Wojwodina von nicht unerheblicher Bedeutung ist.

Trotz der Erfolge im Krieg sind die Perspektiven für die serbischen Nationalisten schlechter geworden. Für die demokratische serbische Opposition sind ebenfalls viele Chancen verspielt. Anstatt für die wirklichen nationalen Interessen — Demokratisierung und Ausgleich mit den Nachbarn auf dem Verhandlungswege sowie faire Verhandlungen mit den Albanern und Ungarn in Serbien selbst— wirkungsvoll einzutreten, hat sie sich im Laufe des Krieges zu sehr an die Milosevic-Linie gehängt. Daß damit die nationalistischen Radikalinskis unterstützt wurden, die nunmehr ihren Terror auch nach innen gegen demokratische Oppositionelle wenden, ist eine der tragischen Entwicklungen der serbischen Innenpolitik.