„Das sind doch Ausreden“

■ OstberlinerInnen glauben der Bundesregierung nicht

Berlin (taz) — Die OstberlinerInnen lassen sich nicht für dumm verkaufen. Wie eine Straßenumfrage gestern ergab, glaubt kein einziger der 22 Befragten dem Argument der Bundesregierung, daß eine Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst im Westen zur Folge hat, daß Gelder für den Aufschwung im Osten fehlen.

„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Es fehlt doch an allen Ecken und Enden. An den paar Prozent kann's nicht liegen“, so eine 40jährige Musikpädagogin. „Die paar Prozent, gemessen an den Problemen, die es hier gibt, ist das eine Kleinigkeit“, findet auch ein 35jähriger Wissenschaftler. „Das sind doch nur Ausreden“, meint ein 60jähriger Architekt aus Marzahn. „Außerdem will man damit doch nur die einen gegen die anderen ausspielen.“ Für eine Ausrede hält das auch ein 30jähriger Programmierer: „Die wollen doch nur ihre Fehler zudecken.“

„Die Bundesregierung sucht einen Schuldigen dafür, daß der Aufschwung nicht so läuft wie prognostiziert“, so ein 58jähriger Geschäftsführer eines Vereins. „Die Gewerkschaft ist ja schon weit runtergegangen. Die Auswirkungen des Streiks werden mehr kosten“, glaubt ein 40jähriger Bauunternehmer. Acht der Befragten fühlten sich sichtlich überfordert, die Frage zu beantworten. „Es ist schwierig, weil man mit den Spielregeln noch nicht vertraut ist, man kennt die Mechanismen des Systems noch zu wenig, um das beurteilen zu können“, erklärt sich eine Geschichtsdidaktikerin die Verunsicherung ihrer Zeitgenossen. Die OstberlinerInnen beschäftigt eine ganz andere Frage: 60 Prozent Lohn bei gleicher Arbeit empfinden viele als ungerecht. win