PORTRAIT
: Eine Frau mit langem Atem

■ Irmgard Schwaetzer kämpfte sich in Partei und Bundespolitik nach oben, „gewinnend“ und „fleißig“

Bonn (taz) — Eine Frau in diesem Amt? Kaum vorstellbar. Schon aus diesem Grund lag Irmgard Schwaetzer in den spekulativen Diskussionen um die Genscher-Nachfolge meistens hinten. Aber ihre Zähigkeit, ihre Ausdauer haben sich ausgezahlt. Sie steigt auf, und höher hinauf kann es für eine Frau in diesem Land wohl kaum gehen.

Irmgard Schwaetzers Sprung in die allererste Reihe der Politik ist die kleine Überraschung, nachdem Genscher mit seinem Rücktritt die große geliefert hatte. Die Urteile und Attribute, die ihr in den Jahren ihrer wechselhaften Bonner Laufbahn angeheftet wurden, liegen weit auseinander. Sie gilt als „fleißige Sachbearbeiterin“ oder als „das Neue“, als berechnend oder gewinnend. 1988 wird sie zur Frau des Jahres gewählt, aber nie als Feministin verdächtigt.

Auf jeden Fall: Sie will etwas werden, und dafür hat sie langen Atem, kann zurückstecken und zugreifen, je nach Lage der Dinge. Irmgard Schwaetzer, promovierte Pharmazeutin, wurde bekannt, als sie nach der Wende zu Genscher stand, während die profilierteren FDPlerInnen den Bruch mit der sozialliberalen Koalition nicht mitvollzogen. Sie wurde 1982 Generalsekretärin der FDP, als alle Welt das Ende der Liberalen prophezeite, sie legte sich mit der Parteispitze an, als diese die Parteispendenaffäre qua Amnestie loswerden wollte und scheiterte. Als Schatzmeisterin, kein dankbares Amt, verankerte sie sich in der Parteiführung.

Nach den Bundestagswahlen 1987 ging sie als Staatsministerin in das Genscher-Ministerium, erwarb die Kompetenzen für ihr zukünftiges Amt und wagte 1988 den nächsten Schritt. Sie konkurrierte mit Otto Graf Lambsdorff um den Parteivorsitz.

Sie hätte wohl keine Chance gehabt, wenn nicht Lambsdorffs Ruf durch die Parteispendenaffäre belastet gewesen wäre. Der Graf trug an der Last der Verurteilung wegen illegaler Parteienfinanzierung. Die knappe Niederlage — 211 Delegierte stimmten für Lambsdorff, 187 für Schwaetzer — hob ihren Marktwert innerhalb der Partei und in der Bundespolitik. Galt sie doch in dieser Auseinandersetzung als diejenige, die einen Neuanfang wollte und persönlich entschieden vertrat.

Nach der letzten Bundestagswahl wurde sie — von heute aus gesehen, übergangsweise — Bundesbauministerin, nachdem sie, die Liberalen nahmen es mit Dank auf, daß sie darauf verzichtet hat, eine Personalschlacht um den Fraktionsvorsitz anzufachen.

Ob politischer Instinkt oder inneres Anliegen ihr raten, regelmäßige öffentliche Interventionen zu Frauenfragen zu plazieren — wer weiß. Jedenfalls äußert sie sich lauter als die christdemokratischen Ministerinnen, kürzlich erst zur Abtreibungsfrage. Tissy Bruns