: Ein „williger“ Mordgenosse
Staatsanwalt fordert „lebenslänglich“ für Schwammberger/ Plädoyer: Schuldig des Mordes in 34 Fällen ■ Aus Stuttgart Edgar Neumann
„Schwammberger hat scham- und rücksichtslos die ihm übertragene Macht als Lagerleiter ausgenutzt. Die nationalsozialistischen Machthaber brauchten so willige Genossen wie den Angeklagten, die bereit waren, die Mordbefehle auszuführen.“ Für Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm war gestern die strafrechtliche Bewertung des seit zehn Monaten vor dem Landgericht Stuttgart laufenden Prozesses gegen den achtzigjährigen ehemaligen SS-Oberscharführer klar: „lebenslänglich“.
Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß sich Schwammberger zwischen 1942 und 1944 in mindestens 34 Fällen des Mordes an jüdischen Zwangsarbeitern in Polen schuldig gemacht habe. Am zweiten Tag seines Plädoyers betonte Schrimm, Schwammberger habe in vielen Fällen „grausam und willkürlich“ getötet. Die ihm ursprünglich vorgeworfene Beihilfe zum Mord, wobei es um Massenerschießungen und die Deportation von mehr als 3.000 Ghettoinsassen in Vernichtungslager ging, könne dagegen nicht eindeutig bewiesen werden. In rund 280 Fällen, in denen Schwammberger auf Grund allgemeiner Anordnungen von höheren Dienststellen mordete, sei er jedoch wegen Beihilfe zum Mord schuldig zu sprechen.
Schrimm legte in seinem Plädoyer großen Wert auf die Feststellung, daß außer an der Kriegsfront auch unter nationalsozialistischer Herrschaft niemand zum Mord an der jüdischen Bevölkerung gezwungen worden sei. Fälle von Befehlsnotstand seien in diesem Zusammenhang bis heute nicht bekannt geworden. Die von den Nazis angeordnete „Endlösung der Judenfrage“ habe jedoch die Schwammbergers gebraucht, die eine Freude daran hatten, Gefangene zu erniedrigen.
Als ein Beispiel nannte Schrimm den Mord an mindestens zehn jüdischen Männern und Frauen, die der Angeklagte 1943 in eine brennende Scheune getrieben habe. Schwammberger sei überdies ein Mann aus dem einfachen Volk, der vom kleinen Buchhalter schließlich zum Lagerleiter, zum „Herrn über Leben und Tod“, wurde.
Auch heute noch, so Schrimm, zeige der Angeklagte keine Reue, sondern streite mit nahezu „dümmlichen“ Erklärungen die ihm zur Last gelegten Taten ab. Seine seltenen, aber aufschlußreichen zynischen Bemerkungen während der Hauptverhandlung offenbarten die innere Haltung des früheren SS-Mannes, „er habe damals so handeln dürfen, wie er es tat“.
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