Die Entzauberung der Lakers

■ In der ersten Play-off-Runde der US-Basketball-Liga NBA kassieren die Los Angeles Lakers drastische Niederlagen gegen Portland/ Michael Jordan und die Chicago Bulls unbeirrt auf Titelkurs

Berlin (taz) — Als sich Earvin „Magic“ Johnson, Superstar der Los Angeles Lakers, im November wegen seiner HIV-Infektion vom aktiven Basketballsport zurückzog, ahnten die Anhänger des Clubs, allen voran Edelfan Jack Nicholson, daß ihnen härtere Zeiten bevorstanden. Aber daß die Lakers gleich einen Absturz, vergleichbar dem der Münchner Bayern in der Bundesliga, erleiden würden, hatte kaum jemand gedacht. In der letzten Saison noch glorreiche, wenn auch unterlegene Finalisten gegen die Chicago Bulls, diesmal gerade noch in die Play-offs gerutscht, die sie zum 16. Mal in Folge erreichten. „Das habe ich in meinen schlimmsten Träumen nicht erwartet“, kommentierte Coach Mike Dunleavy das Fegefeuer der Punktrunde, „es war hart und unerwartet.“

Zusätzlich zum Mißgeschick Johnsons wurden die Lakers von einer erstaunlichen Verletzungsserie geplagt, von den startenden Fünf der letzten Spielzeit blieb kaum noch jemand übrig. Center Vlade Divac fehlte wegen einer Rückenoperation zu Saisonbeginn, James Worthy fällt wegen einer Knieoperation aus und Sam Perkins wegen einer Muskelentzündung. Ausgerechnet Doc West vom Lokalrivalen Los Angeles Clippers, die zum erstenmal seit 1976 in die Play-offs einzogen, hatte es der Traditionsclub von der anderen Seite der Stadt zu verdanken, daß er sich buchstäblich in letzter Sekunde in die Finalrunde mogelte. In der Schlußsekunde der Nachspielzeit vergab West eine Freiwurfchance, die Lakers gewannen 109:108 und waren qualifiziert.

Viele hätten es allerdings lieber gesehen, wenn die Play-offs verpaßt worden wären. Dann nämlich hätten die Lakers bessere Chancen gehabt, die jährliche NBA-Lotterie um das Vorrecht beim „Draft“, der Verpflichtung der talentiertesten Nachwuchsspieler, zu gewinnen. „Wir brauchen einen Star“, hatte Manager Jerry West unmißverständlich gefordert, und künftige Stars gibt's halt nur beim Draft.

Statt dessen mußten die Lakers nun in der ersten Play-off-Runde gegen die Portland Trail Blazers antreten, die sie im letzten Jahr noch locker ausgeschaltet hatten. Diesmal machten Kevin Duckworth und Clyde Drexler jedoch nicht viel Federlesens mit den ihrer Zauberkraft beraubten Kaliforniern. Das erste Spiel der „best-of-five“-Serie gewannen sie mit 115:102, die zweite Partie gar mit 101:79. Eine solch magere Punktausbeute hatte gegen die Blazers noch nie jemand im Play-off gehabt. Nun droht den Los Angeles Lakers ein ungewohnt frühes Saisonende, Trost finden sie allein in der Hoffnung auf den Draft und die Rückkehr ihres „Magic“, von der allenthalben gemunkelt wird.

Eindeutig dominierendes Team der Vorrunde waren mit 67 Siegen, viertbeste Marke aller Zeiten, die Titelverteidiger aus Chicago, die auch im Play-off keinen Zweifel daran lassen, wer Chef unterm Korb ist: Michael Jordan natürlich. Der schlanke Kahlkopf trifft den Korb mit links wie mit rechts und findet gelegentlich einigen Gefallen daran, die inferiore Konkurrenz ein wenig lächerlich zu machen: In einem Spiel gegen die New York Knicks verwandelte er den entscheidenden Freiwurf mit geschlossenen Augen.

Zum sechstenmal in Folge gewann der sprunggewaltige Jordan die Scorerwertung, zahlte allerdings eine hohen Preis dafür. In der letzen Partie gegen Detroit mußte er noch einmal seinen Saisonschnitt von 30 Punkten erreichen. Bereits im ersten Viertel verletzte er sich am Rücken, ein Problem, mit dem er in den vergangenen Jahren des öfteren zu kämpfen hatte. Mit einer Bandage stand er das Match bis zum Schluß durch, erzielte 32 Punkte und wand sich danach, von Krämpfen geschüttelt, in der Kabine des Trainers.

Im ersten Play-off-Match gegen Miami Heat war Jordan aber wieder voll da und steuerte 46 Punkte zum 113:94-Sieg der Bulls bei. In der zweiten Begegnung ließ er es bei 33 Punkten bewenden, Chicago siegte 120:90 und kann sich schon heute für die zweite Runde qualifizieren, in der es gegen den Sieger des Duells Boston Celtics-Indiana Pacers geht. Bei den Pacers ist der einzige NBA-Deutsche Detlef Schrempf inzwischen zum Star avanciert und hatte großen Anteil an der Aufholjagd, die sein Team nach miserablem Start doch noch in die Finalrunde brachte. Gegen Boston, das sich auch ohne den ebenfalls rückenlädierten genialen Zuspieler Larry Bird in einer atemberaubenden Gewinnsträhne befindet, war jedoch in den ersten beiden Partien kein Blumentopf zu gewinnen. 124:113 für die Celtics hieß es im ersten, 119:112 im zweiten Match — der zehnte Bostoner Sieg in Folge. Immerhin eine gute Nachricht für Bundestrainer Pesic, der so für die Olympia-Qualifikation auf einen erholten Schrempf hoffen kann.

In eine unverhoffte Krise gerieten kurz vor den Play-offs die New York Knicks mit ihrem furchterregenden Olympiastarter Patrick Ewing. Von den acht letzten Partien verloren sie fünf, nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für das Duell mit den Detroit Pistons, den Champions von 1989 und 1990. Ein fünftägiges Trainingslager sollte die niedergeschlagenen New Yorker psychisch aufpäppeln, und im ersten Spiel sah es so aus, als habe Coach Pat Riley, mit den Lakers einst mehrfach Meister, die richtigen Worte gefunden. Im Madison Square Garden siegten die Knicks mit 109:75, die mickrigste Punktzahl, die die Pistons je in einem Play-off-Match erreicht hatten.

Im zweiten Spiel, ebenfalls in New York, sah es dann allerdings anders aus. Ewing wurde durch die gewohnte körperbetonte Deckung, für die Detroit berüchtigt ist, bei zwölf Punkten gehalten, und ein 15-Fuß- Sprungwurf des für Olympia verschmähten Isiah Thomas sieben Sekunden vor Schluß brachte die 89:88-Entscheidung für die Pistons. Die haben nun zweimal Heimrecht, und Trainer Chuck Daly ist zuversichtlich: „Nun müssen wir nur noch unseren Aufschlag durchbringen.“ Matti Lieske