Kritik an Londoner Hongkong-Politik

Internationale Juristenkommission wirft Großbritannien Vernachlässigung der Menschenrechte vor  ■ Aus Hongkong Hans Vriens

Die Internationale Juristenkommission hat die britische Regierung scharf kritisiert. Sie habe bei den Verhandlungen um die Übergabe ihrer Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China im Jahr 1997 die Menschenrechte der Hongkonger Bevölkerung auf bestürzende Weise vernachlässigt. Zu dieser Schlußfolgerung kommt die Kommission in ihrem Bericht „Countdown to 1997“, der gestern veröffentlicht wurde.

Der Bericht wird der UN-Menschenrechtskommission vorgelegt werden. Darin heißt es, daß Großbritannien nicht berechtigt war, die etwa drei Millionen HongkongerInnen mit britischem Paß an China abzutreten, ohne ihnen das Recht auf Selbstbestimmung einzuräumen. Nach den Regeln des Völkerrechtes hätte die Bevölkerung die Möglichkeit haben müssen, per Referendum über die Annahme der „Gemeinsamen Erklärung“ von 1984 abzustimmen, mit der die Übergabe beschlossen worden war.

Allerdings gesteht die Kommission zu, daß unter den gegenwärtigen Umständen eine sinnvolle Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung nicht möglich ist. Deshalb habe die Regierung in London die Pflicht, allen BürgerInnen Hongkongs ein Recht auf Niederlassung in Großbritannien einzuräumen. Bislang hat London dieses verweigert und nur ein auf 50.000 Familien begrenztes Aufenthaltsrecht zugestanden.

Der von vier prominenten Juristen verfaßte Bericht zeigt sich auch sehr kritisch über die Art und Weise, wie die britische Kolonialverwaltung von ihrem Versprechen abgerückt ist, bis zum Jahre 1997 einen Legislativrat zu schaffen, der durch allgemeine und freie Wahlen gewählt ist, wie es im Artikel 21 der Hongkonger „Bill of Rights“ vorgesehen ist. China aber lehnt einen Legislativrat ab, in dem im Jahr der Übergabe mehr als 20 der 60 Mitglieder direkt gewählt sind. Bei den ersten Wahlen im vergangenen Jahr waren 18 Abgeordnete gewählt worden. Dabei waren die Favoriten Pekings von den KandidatInnen der prodemokratischen Parteien eindeutig geschlagen worden.

Als „drakonisch“ bezeichnet der Bericht die Tatsache, daß — wie es das „Basic Law“ der Mini-Verfassung Hongkongs vorsieht — das Pseudo-Parlament der VR China darüber entscheiden kann, ob ein Vorfall in Hongkong einen „Aufruhr“ darstellt. Dann nämlich kann es für Hongkong den Ausnahmezustand ausrufen. Angesichts der Tatsache, daß China stets jede Einmischung in seine Menschenrechtspolitik scharf zurückgewiesen hat, fordern die Juristen den neuen Gouverneur Hongkongs, Chris Patten, auf, so bald wie möglich eine starke Menschenrechtskommission in Hongkong zu installieren.