Giftgas zurückgeschickt

■ Scud-Gefechtskopf bei der Bundeswehr untersucht

Darmstadt (taz) — Vergebens fahndeten Staatsanwaltschaft und Zollfahndung im High-Tech-Land Bundesrepublik nach einem Experten, der ein Gutachten über die von deutschen Firmen illegal in den Irak verschobenen Chemieanlagen hätte erstellen können. Kein deutscher Chemieprofessor wollte bei der Industrie als Nestbeschmutzer in Verruf geraten. Erst an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurden die Ermittler bei Professor Werner Richarz fündig. Sein Gutachten bildet im Darmstädter Giftgas-Prozeß die Grundlage für den erwarteten Expertenstreit. Auch die Bundeswehr hatte seinerzeit abgewunken: Zwar verfügt die Truppe über ABC-Abwehrtruppen und -Forschung. Experten für diese Massenvernichtungsmittel gab es aber angeblich keine.

Doch nach dem Ende des Golfkrieges traten sie ganz plötzlich aus der Deckung heraus, die eigentlich gar nicht existenten Chemiewaffen-Fachleute in Uniform: Selbstverständlich, tönte es sogleich in Bonn, werde auch die Bundeswehr Fachpersonal für UNO-Inspektionsteams abkommandieren. Zweimal nahmen Bundeswehroffiziere bislang an Suchaktionen der UNO nach Chemiewaffen im Irak teil. Diese Soldaten kommen von der Kampfstoffbeseitigungsstelle der Bundeswehr in Munsterlager. Ihr obliegt das Aufspüren und Vernichten von alten Chemiewaffenbeständen aus den Weltkriegen. Die UNO hält die Kameraden in Munsterlager offenbar für so qualifiziert, daß sie ihnen jetzt den mit Giftgas gefüllten Gefechtskopf einer irakischen Scud-Rakete sowie Artillerie-Geschosse und Bomben mit Kampfgasen zur Analyse geschickt hat.

Vielleicht tritt demnächst doch noch ein Bundeswehrexperte in den Zeugenstand des Landgerichts. Denn nach den Angaben der Angeklagten dürfte der Scud-Gefechtskopf ja eigentlich nur Schädlingsbekämpfungsmittel für die Dattelernte enthalten. thosch