Große Koalition der Mißtrauischen

SPD und CDU wollen Koalitionsverhandlungen in Stuttgart schnell durchziehen  ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier

Noch sind längst nicht alle Wunden geleckt, die sich SPD und CDU im baden-württembergischen Wahlkampf geschlagen haben, jetzt will mann sie gemeinsam heilen. Nach dem Scheitern der schwarz-grünen Sondierungsgespräche wollen die baden-württembergischen Christ- und Sozialdemokraten bereits heute mit ersten Koalitionsverhandlungen beginnen. Doch das Mißtrauen zwischen den beiden Großen besteht gleichwohl fort.

Unter gar keinen Umständen wolle man bei den kommenden Verhandlungen zu einer großen Koalition die Identität der eigenen Partei aufs Spiel setzen, versicherten gestern der amtierende CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel ebenso wie Dieter Spöri als Fraktionsvorsitzender der SPD; also keine Koalition um jeden Preis bilden. Für die SPD, so Dieter Spöri, müßten darüber hinaus die Oppositionsrechte in vollem Umfang gewahrt bleiben.

Dennoch versicherten gestern beide Parteien, daß, sollte eine Koalition zustande kommen, sie auch vier volle Jahre halten müsse. Wie, das ist aber bei dem unterschiedlichen Sachprogramm und angesichts der in zwei Jahren anstehenden Rivalitäten vor der nächsten Bundestagswahl noch völlig offen. Die Asylfrage, so Erwin Teufel, müsse gelöst werden, auch bundesweit. Das will die SPD auch, aber eben anders. Ähnlich ist es bei der Frage einer Pflegeversicherung. Große Meinungsverschiedenheiten, so Dieter Spöri, bestünden außerdem in Fragen der Inneren Sicherheit, der Sicherung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg und seiner Arbeitsplätze, eines wirksamen Konzepts zur Wohnungsbaupolitik und nicht zuletzt bei dem, was die SPD die Erneuerung der demokratischen Kultur nennt. Die Verhandlungen, so Spöri, „werden sehr schwierig sein“. Beginnen wollen die Kontrahenten mit der Finanzpolitik. Oberste Priorität hat, so der Sozialdemokrat Spöri, der „ehrliche Kassensturz“. Dann kämen die schwierigen Sachfragen und erst am Schluß die Ressortverteilung, hieß es gestern bei der CDU in Stuttgart. Einen Stolperstein legte Ministerpräsident Teufel in Hinblick auf die Bundesratspolitik aus: Er wolle nicht den bequemen Weg gehen und für strittige Fragen eine Neutralität aushandeln. Im Bundesrat haben schon heute die SPD-regierten Länder die Mehrheit. Am Ende sollen außerordentliche Parteitage über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen befinden.

Ein Mißtrauen gegen eine große Koalition hatte Ministerpräsident Teufel in der eigenen Partei geortet. Das Mißtrauen der baden-württembergischen Wähler in CDU und SPD dürfte am vergangenen Wahltag noch größer gewesen sein. Sie hatten die beiden Parteien eigentlich zu den Verlierern dieser Wahl gemacht.