Kinkel schnappt das Außenamt

Kampfabstimmung in der FDP um die Nachfolge von Genscher/ FDP und CSU wollen das unbedeutende Amt des Vizekanzlers für sich reklamieren/ FDP-Fraktion gibt sich verschnupft  ■ Aus Bonn A. Zumach u. T. Bruns

Nein, nicht Irmgard Schwarter wird neue Außenministerin. Klaus Kinkel setzte sich gestern in einer Kampfabstimmung in der FDP gegen die schon desgnierte Frau Schwaeter durch — ein Affront gegen FDP- Chef Lambsdorff. 63 Mitglieder der Fraktion und des Präsidiums stimmten für Kinkel, nur 25 für Schwaetzer. So viel Chaos hätten Bonner Beobachter der FDP niemals zugetraut.

Der 55jährige trat gegen die vom Parteipräsidium am Vortag vorgeschlagene Bauministerin Irmgard Schwaetzer (50) an. Dies teilten der ostdeutsche FDP-Abgeordnete Jörg Ganschow mit. Zuvor war es bei den Freidemokraten zu einem haushohen Krach gekommen. Der Abgeordnete Jürgen Koppelin hatte zuvor dem Präsidium das Mandat für die Amtsbesetzung abgesprochen. „Es geht um das Procedere. So kann man mit uns nicht umspringen.“ Als „Falschmeldung“ bezeichnete der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende Kubicki schon am Nachmittag, daß Irmgard Schwaetzer Außenministerin werde. Parteichef Otto Graf Lambsdorff sah sich vor der Sitzung von Vorstand und Fraktion immerhin zu der Feststellung genötigt, daß die Entscheidung noch nicht gefallen sei.

In Bonn wurde gestern vermutet, daß Kinkels Kandidatur von Wirtschaftsminister Möllemann unterstützt wird. Denn durch die Wahl des Justizministers zum Chef des Außenamts sind Möllemanns eigene Karrierepläne — er möchte gerne FDP- Parteichef werden — gefördert: Nicht nur Schwaeter ist durch die Abstimmungsniederlage gegen Kinkel aus dem Rennen, auch der potentielle Mitbewerber Kinkel kommt nun nicht mehr in Frage. Bleibt nur noch Möllemann selbst, der einen erheblich ramponierten Noch-Vorsitzenden Lambsdorff beerben darf.

Gerüchte auch über andere Personen: Bildungsminister Rainer Ortleb (FDP), den weder Charisma noch übermäßige Fachkompetenz auszeichnen, soll offenbar abgelöst werden. Weil mit Joachim Günther als Schwaetzer-Nachfolger im Wohnungsbauministerium ein Politiker aus den neuen Ländern nominiert ist, wird der glücklose Ortleb als Ost- Feigenblatt nicht mehr gebraucht. Der Nachfolger steht angeblich bereit: der hessische FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt hat nämlich im Präsidium seinen „bundespolitischen Anspruch“ angemeldet. Das Präsidium akzeptierte, der amtierende Bildungsminister dementierte.

Auch um den völlig unbedeutenden Posten des Vizekanzlers gibt es Krach. „Nach Kanzler Kohl ist Finanzminister Theo Waigel das schwerste Kaliber am Kabinettstisch“, ließ Edmund Stoiber aus Bayern verlauten, um die Ansprüche der CSU auf das Prestigeamt Vizekanzler zu begründen. Über zweieinhalb Stunden tagten die Partei- und Fraktionschefs der Regierungsparteien am Vormittag im Kanzleramt, um dann ohne Ergebnis auseinanderzugehen. Das Gerangel um die drittrangige Frage — der Status des deutschen Vizekanzlers hat keineswegs den Rang des amerikanischen Präsidenten-Stellvertreters — muß grob und heftig gewesen sein, denn die Beteiligten vereinbarten Stillschweigen. Das ließ, wie immer, die Gerüchte erst recht ins Kraut schießen.

Die CSU ist offenbar äußerst verärgert über alles: über Genscher und seinen Kurs sowieso, über die designierte Nachfolgerin, über die FDP, die den Vize-Titel behalten will — und wohl auch behalten wird: denn Möllemann gilt als aussichtsreichster Kandidat für das Amt.