Die Feministische Theologie bleibt ausgesperrt

■ Die Koordinierungsgruppe Feministische Theologie fordert vergeblich Professur im neu geschaffenen Fachbereich Theologie an der Humboldt-Universität/ Eine qualifizierte Wissenschaftlerin soll es nach Ansicht des Dekans angeblich nicht geben

Mitte. Einen eigenen Lehrstuhl für Feministische Theologie wird es an dem zukünftig fusionierten Fachbereich Theologie vorerst nicht geben. Der Vorwurf an die Feministische Theologie lautet, sie sei unwissenschaftlich. Außerdem, so der Dekan der theologischen Fakultät, fehle seiner Meinung nach eine klar durchschaubare Methodik. Die Frage stände an: Was wird das dann für eine Wissenschaft?

Es soll jedoch eine Qualifizierungsstelle für eine Professorin genehmigt werden, die bisher Feministische Theologie in Verbindung mit Ökumenik lehrte. Innerhalb von drei bis vier Jahren soll sie sich qualifizieren, indem sie Veranstaltungen der Feministischen Theologie in Verbindung mit dem Fach »Neues Testament« anböte. Erst dann könne die Fakultät eine Stellenausschreibung für Frauenforschung und feministische Theologie vornehmen, so Wolf Krötke.

Die Struktur- und Berufungskommission Theologie (SBK) hatte einen Strukturplan übernommen, den die Senatsverwaltung, die Kirche und die Kirchliche Hochschule Zehlendorf bereits im Frühjahr 1991 ausgearbeitet hatten. »Darin war Feministische Theologie nicht vorgesehen«, erläuterte der Dekan. In der vom Akademischen Senat der HUB am 7. April 1992 abgesegneten Struktur seien 14 C4-Professuren und acht C3-Professuren genehmigt worden. Hinzu komme noch ein Überhang von sechs Professoren, die von der Kirche bezahlt werden. »Bei den vorhandenen Hochschullehrern gibt es niemanden, der eine Qualifikation für Feministische Theologie vorweisen könne«, so Krötke. Es gebe auch nur eine Professorin für Christliche Archäologie und Kunst, die auf der Liste stände. Daß unter den Professoren nur eine Frau auf der Berufungslist stehe, sei damit zu erklären, daß aufgrund der Fusion der drei kirchlichen Institute keine Stellen ausgeschrieben werden konnten. Jetzt müßten erst einmal die Überhänge abgearbeitet werden. Mehr Stellen seien nicht zu bewilligen, denn 22 Professoren seien schon verhältnismäßig viel.

Nachdem der Akademische Senat (AS) der Humboldt-Universität die Struktur für die theologische Fakultät Anfang April abgesegnet hat, steht eine Änderung in den kommenden fünf Jahren erst einmal nicht an.

Die Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität, Gisela Petruschka, bemängelte im AS, daß ein Lehrstuhl für Feministische Theologie nicht vorgesehen war. In einem Brief an den Wissenschaftssenator bat sie um Unterstützung, verschickte ihre Beschwerde auch an den Vorsitzenden der SBK, Trutz Rendtorff, und den Dekan der theologischen Fakultät. Daraufhin antwortete Trutz Rendtorff, »die SBK Theologie gehe davon aus, daß Feministische Theologie kein eigenes und selbständiges Fach- und Lehrgebiet im Fachbereich Theologie darstelle.« Allerdings unterstütze die SBK, daß sich eine Wissenschaftlerin für feministische Theologie in Verbindung mit einer Disziplin der Theologie qualifiziere. Die Frauenbeauftragte sagte, daß in zwei Wochen ein Gespräch mit dem Dekan der theologischen Fakultät stattfinde. »Da wollen wir festschreiben, daß ein Lehrstuhl für feministische Theologie eingerichtet werde, da die Qualifizierungsstelle nur befristet sei. Die vorgesehene Professorin der theologischen Fakultät der HUB soll diese Aufbaustelle für drei bis vier Jahre genehmigt bekommen.« In der Zeit könne sie sich im Zusammenhang mit dem Fach Neues Testament für Feministische Theologie qualifizieren.

Nach dem Fall der Mauer bildete sich eine Koordinierungsgruppe »Feministische Theologie«, die sich aus Vertreterinnen aller Berliner theologischen Ausbildungsstätten zusammensetzt. Sie machte sich zur Aufgabe, das feministisch-theologische Lehrangebot in Ost und West zu koordinieren. Bis zu dem Zeitpunkt waren sowohl an der Kirchlichen Hochschule Zehlendorf als auch am inzwischen mit der Kirchlichen Hochschule Ost fusionierten Sprachenkonvikt Seminare veranstaltet worden.

»In einem Brief Ende vergangenen Jahres an den Vorsitzenden der SBK formulierten wir unsere Forderung nach einer Professur für Feministische Theologie, sowie der dazugehörigen personellen, räumlichen und sachlichen Ausstattung«, berichtete eine Vertreterin der Koordinierungsgruppe. Es sei auch schon gut, wenn zumindest Feministische Theologie im Rahmen eines herkömmlichen Faches angeboten würde. »In Deutschland gab es bisher weder ein Institut noch eine langfristige Arbeitsstelle in der Theologie. Ich denke, der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit ist nicht gerechtfertigt, das zeuge von Unkenntnis«, so die Vertreterin. Susanne Landwehr