»Schlagstock kein Strafinstrument«

■ Die Polizei ist beim 1.Mai in Kreuzberg auf alles vorbereitet/ Sie hat keine konkreten Anhaltspunkte für Krawall/ Eingreifen bei vereinzelten Straftaten oder Vermummungen soll abgewogen werden

Berlin. Die Polizei rüstet sich am 1.Mai für alles. »Nach den Erfahrungen der letzten Jahre wäre es leichtfertig, davon auszugehen, daß sich am 1.Mai in diesem Jahr etwas anderes abspielt als sonst«, erklärte gestern der Leitende Polizeidirektor Heinz Krähn, der als Leiter der Direktion 5 morgen für den Polizeieinsatz in Kreuzberg verantwortlich sein wird. Ganz die Hoffnung aufgegeben hat Krähn allerdings noch nicht, daß es auch bei den Kreuzberger Maifeiern »mal eine Wende« gebe. »Wenn der 1.Mai so verläuft wie die Demonstration am 20.April, wären wir schon vollauf zufrieden«, räumte der Polizeidirektor offen ein. Es sei bereits ein Erfolg, wenn es morgen bei ein paar auf die Straße gerückten Altglascontainern und vereinzelten Stein- und Flaschenwürfen wie bei der Antifa-Demo am Tag von Hitlers Geburtstag bleiben würde.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß Krawalle geplant sind, hatte die Polizei bis gestern nicht. Allerdings so Krähn, »gibt es Signale«. Er spielte damit auf das Plakat unter dem Motto »Die einzige Lösung ist Revolution!« an, mit dem die RIM zur 1.-Mai-Demo am Oranienplatz aufruft (siehe Text oben). Es zeigt ein paar vermummte Gestalten und im Hintergrund einen umgekippten, brennenden Polizeiwagen. Der einzige konkrete Hinweis auf eine geplante Gewaltaktion, den die Polizei bislang hat, ist ein handschriftlicher Aufruf, einen »Plus«-Supermarkt in der Oranienstraße »abzufackeln«. Begründet werde der Aufruf damit, daß bei »Plus« jemand beim Diebstahl erwischt worden sei, sagte Krähn. Abgesehen davon gebe es jedoch keine Erkenntnisse, auch Depots mit Molotowcocktails oder Wurfgeschossen seien bislang nicht gefunden worden. Damit sei jedoch noch zu rechnen.

Die Polizei vermutet, daß sich die beiden »revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen«, die mit unterschiedlichen Endpunkten angemeldet sind, vereinigen werden. Im Einsatz sein werden rund 3.500 Beamte, die gut sichtbar in den Seitenstraßen und im Umfeld postiert sein werden. Wenn die Demo friedlich verlaufe, keine Straftaten begangen würden und sich kein großer Block mit Vermummten formiere, werde es kein Polizeispalier geben, versprach Krähn.

Auf die Frage, ob die Polizei einzelne Vermummte aus der Demo herausgreifen werde, erklärte der Leiter des polizeilichen Führungsstabes, Heinz Manthey, dies müsse im Rahmen der Güterabwägung in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. »Nach dem Legalitätsprinzip müssen wir zwar einschreiten, aber es besteht kein unmittelbarer Zwang, dies sofort zu tun.« Die Polizei sei sich natürlich bewußt, daß solch ein Eingreifen zur Folge haben könne, daß der Krawall losgeht. »Das kann der Funken sein, den manche brauchen, um loszulegen.« Auch bei einer einzelnen Straftat, wie zum Bespiel Reifen zerstechen, so Krähn, »müssen wir ganz fein abschmecken, wann und wie der Zugriff erfolgt«. Beim ersten Anzeichen, daß »es massenhaft losgeht«, würden die Einsatzbereitschaften und Festnahmetrupps jedoch ohne jede Frage vorgehen.

Die Polizei geht davon aus, daß wieder viele türkische und deutsche Kids in Kreuzberg am 1. Mai das Krawallabenteuer suchen werden. Deshalb würden szenekundige Beamte der Polizei-AG Jugendgruppengewalt sorgfältig sondieren, von wo die Jugendlichen kommen und »wo sie hinströmen«. Auf die Frage, wie sich die Polizei bezüglich der Straßenfeste verhalten werde, verwies Krähn darauf, daß bislang noch kein Fest beim Tiefbauamt angemeldet sei. Die Feten würden jedoch geduldet — »es wird keine Verfolgung wegen eines Ordnungsverfahrensbestandes geben« — wenn die Veranstalter sich kooperationswillig zeigten und es keine gravierenden Verkehrsblockaden gebe.

»Wir wollen später keine Bilder sehen, wo Beamte auf weglaufende Menschen mit dem Schlagstock einschlagen«, betonten Manthey und Krähn. »Wer wegrennt, muß nicht noch geschlagen werden.« Ein Schlagstockeinsatz sei nur dann rechtmäßig, wenn nur so eine Vollstreckungshandlung durchgesetzt oder ein direkter Angriff abgewehrt werden könne. »Das heißt auch, daß der Schlagstock kein Bestrafungsinstrument ist, mit dem noch einmal zugelangt werden darf, wenn jemand schon festgenommen ist.« Die Beamten seien bei den Einsatzbesprechungen erneut deutlich darauf hingewiesen worden, daß sie vor den Augen der Öffentlichkeit und vielen Kameras handelten und daß Straftaten rigoros verfolgt würden. Plutonia Plarre