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GASTKOMMENTARIns dunkle Wasser

■ Die meisten Bonner Bauernopfer sind Frauenopfer

Seit die Grünen Bonn verlassen haben, spielen regelmäßig die anderen Fraktionen „grüner Parteitag“: Aufstand der Basokraten, Führungen wählen, um sie zu quälen, einen Fraktionsvorsitzenden inthronisieren, um ihn drei Wochen später zu demontieren, feingesponnene Intrigen und leibhaftige Tränen — so schön kann Parteiendemokratie sein.

Der Wanderpokal der wilden Liga in Bonn aber wird in diesem Jahr eindeutig der FDP zugesprochen. Nur daß es gar nicht komisch ist: Genscher geht vom Boot, und die Partei schickt noch eine Frau mit in den Ozean. Altes Ritual. Der Graf wird ihren Fall ein zweites Mal überleben, wie er alle Fälle überlebt hat, einschließlich seines eigenen.

Irmgard Schwaetzer aber ist für jedes weitere politische Amt nachhaltig beschädigt. Man geht nicht mehrfach in das gleiche dunkle Wasser. War ihre erste Niederlage im Kampf um den Parteivorsitz noch ehrenhaft — das jetzige Wechselbad von „Auf den Schild mit ihr“ und „Hinweg mit ihr“ könnte sie nur überstehen, wenn sie ganz und gar zur Maske einer Parteisoldatin erstarrte. Wir wußten es längst: die meisten Bonner Bauernopfer sind Frauenopfer — Marie Schlei, Rita Süssmuth, Hertha Däubler-Gmelin, Gerda Hasselfeld... Wenn nicht alles täuscht, steht auch Angela Merkel bald an zum Absturz.

Und noch eine fällt mir ein. Wie hieß die noch mal? X und Y. Die neue Justizministerin. Neuling. Frischling. Blitzmädchen. Vier Zeilen Biographie bei 'dpa‘. Politisch unerfahren. Unbeschriebenes Blatt. Reizvoll für männliche Ratgeberhände, darauf zu schreiben. War das nicht ein Schlüsselressort? Kann eigentlich jede in dieser kleinen Bonner Welt Justizministerin spielen? fragt frau sich erstaunt und weiß nicht, wer dabei mehr entwertet wird: das Amt oder die Frau.

Ein echtes Bonner Wunder. Passiert aber wie alle Theaterwunder nur, wenn die Bedingungen stimmen. Angela Merkel stieg auf, damit Rita Süssmuth stolperte. Frau Leutheusser-Schnarrenberger wird aus Verachtung und Berechnung nach oben geschubst, damit Irmgard Schwaetzer nicht einmal der kleine Trost bleibt, in einer frauenfeindlichen Partei verloren zu haben. Nein wirklich, die FDP hat Frauen richtig gern. Antje Vollmer

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