Malis Ex-Diktator vor Gericht

Heute beginnt der Mordprozeß gegen den 1991 gestürzten Militärherrscher Moussa Traore  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) — Moussa Traore, von 1968 bis zu seinem Sturz 1991 Militärdiktator des westafrikanischen Mali, soll sich ab heute wegen „Mord“ (assassinat) und „Beihilfe zum Mord“ (complicité de meurtre) vor Gericht verantworten. Wie die malische Zeitung 'Les Echos‘ mitteilt, wird der Prozeß gegen den Ex- Diktator und eine Reihe hoher Mitglieder seines Regimes vorerst etwa zwei Wochen dauern. Moussa Traores Verteidiger ist der französische Staranwalt Jacques Vergès, der sich durch die Verteidigung Klaus Barbies einen Namen gemacht hat.

Die seit letzten Sommer vorbereitete Anklage gegen Traore bezieht sich auf die Ereignisse vom 21. bis 25. März 1991, als über 200 Menschen in den Straßen der Hauptstadt Bamako starben. Höhepunkt war der 24. März, als Armee-Einheiten das Feuer auf einen Frauenmarsch zum Präsidentenpalast eröffneten. Die Frauen wollten ihre Kinder betrauern, die in den Tagen zuvor bei der Niederschlagung von Schülerdemonstrationen getötet worden waren. Einen Tag später wurde Moussa Traore abgesetzt und befindet sich seitdem in einem Bamakoer Militärgefängnis in Haft.

Noch während sich damals die Krankenhäuser Bamakos mit Leichen und Schwerverletzten füllten, zeigte sich der Diktator unnachgiebig. In einer letzten, chaotischen Fernsehansprache, die nicht mehr ausgestrahlt wurde, rief er: „Wo sind die Leichen der Opfer Moussas? Wo sind sie? Wenn ich ein Mörder wäre, würdet ihr heute gar nicht dasein! Ihr sagt, daß Moussa und seine Regierung abtreten müssen. Ich weigere mich! Ihr habt mir nicht die Macht gegeben! Ich weiß, wie ich an die Macht kam und wie ich sie ausübte!“

Aber auch die Malier wissen, wie die 23jährige Traore-Herrschaft das Land ruinierte. Mit seiner Frau Mariam, deren Verwandte hohe Posten im Staate erhielten, regierte er das Land als seinen Privatbesitz. Um französische Villen und andere Reichtümer zu kaufen, wurde unter anderem die Baumwollbranche geschröpft, die nahezu die Hälfte der malischen Exporte erwirtschaftet (125 Millionen Dollar im Jahre 1989). Die malische Zeitung 'La Cigale Muselée‘ hat den Verlauf rekonstruiert: Die staatliche Vermarktungsgesellschaft COPACO, Makler zwischen der Baumwollgesellschaft CMDT und den Spinnereien, zweigte Gelder ab, die eigentlich zur Bezahlung der CMDT für ihre Lieferungen bestimmt waren. Das Geld wurde bei der marokkanischen Außenhandelsbank deponiert und von dort in aller Welt zu hohen Zinsen angelegt. Insgesamt 2,5 Milliarden Dollar soll der Traore-Klan außer Landes geschafft haben — soviel wie Malis Auslandsverschuldung. Der Schweizer Anwalt Guy Fontanet, der auch für die Philippinen das Marcos-Vermögen aufspürte, hat bereits die Sperrung von Schweizer Konten in Höhe von 1,5 Milliarden Schweizer Franken erreicht. 650 Millionen Dollar sollen in den USA, Kanada und Deutschland angelegt sein. Bis Jahresende soll ein zweiter Prozeß gegen Traore um die verschwundenen Gelder beginnen.

Nicht alle Menschenrechtsverletzungen der Traore-Zeit kommen jetzt vor Gericht. Kurz nach seiner Machtergreifung richtete Traore mitten in der Sahara-Wüste das Arbeitslager von Taudeni ein, in dem bis 1988 die prominentesten politischen Häftlinge des Landes einsaßen und Zwangsarbeit in Salzminen leisten mußten. Die nächste größere Ortschaft, Timbuktu, war 750 Kilometer entfernt. Einer der wenigen Überlebenden berichtete kürzlich gegenüber der Zeitschrift 'Jeune Afrique‘: „Um drei Uhr morgens verließen wir unsere Zellen, um bis sechs Uhr die Salzminen zu erreichen. Die Minenarbeit dauerte bis 19 Uhr. Wir hatten dreißig Minuten, um unsere Nahrung hinunterzuschlingen. Abends legten wir die fünfzehn Kilometer zum Lager wieder zu Fuß zurück. Trotz unserer Müdigkeit mußten wir schnell laufen, sonst wurden wir mit Peitschen geschlagen. Wer hinfiel, wurde mit Stöcken traktiert, bis er wieder aufstand.“