Veba kauft französischen Atomkonzern

Energieriese verhandelt über Beteiligung an WAA-Betreiber Cogema/Weichenstellung für Wiederaufarbeitung  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Der Veba-Konzern verhandelt über einen Riesencoup: Der Energieriese will große Teile des staatlichen französischen Atomkonzerns Cogema übernehmen. Ein Veba-Sprecher bestätigte der taz gestern: „Kein Dementi. Es finden Gespräche statt.“ Dem Cogema-Konzern gehören die französischen Uranminen, Uranfabriken und vor allem die berüchtigte atomare Wiederaufarbeitungsanlge (WAA) in La Hague. Die Veba, schon heute Mutter des größten deutschen Atomstromproduzenten PreussenElektra (rund neun Mrd. Mark Umsatz), würde mit einem Schlag zum größten Atomkonzern Europas.

Spätestens seit dem Frühjahr 1989 hat die Veba ein existentielles Interesse an der WAA in La Hague. Damals entschied die Konzernspitze nämlich zur Verblüffung bundesdeutscher Politiker, aus dem deutschen WAA-Projekt in Wackersdorf auszusteigen. Ab 1999 sollten die abgebrannten Brennstäbe aus deutschen AKWs vor allem in La Hague wiederaufgearbeitet werden — 6.000 Tonnen abgebrannter Brennstäbe sollten bis in den äußersten Zipfel der Normandie geliefert werden. Der einstige Staatskonzern mit inzwischen 60 Milliarden Mark Umsatz düpierte die bayrische Staatsregierung, die das Baugelände in Wackersdorf jahrelang mit Tausenden Polizisten verteidigt hatte. Die Veba- Bosse warfen zugleich das Entsorgungskonzept der Bundesregierung für den deutschen Atommüll über den Haufen. Die hatte ein halbes Jahr zuvor noch festgestellt: „Die Möglichkeit der Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente im Ausland stellt keine Alternative zur Wiederaufarbeitung im Inland dar.“

Während andere Stromkonzerne, vor allem der größte deutsche Stromer RWE, von der Wiederaufarbeitung am liebsten sofort zur direkten Endlagerung umschwenken würden, verfolgte die Veba die Europäisierung des Atommüllproblems. Veba und Cogema unterzeichneten als erstes ein „Memorandum of Understanding“, nachdem die Deutschen bis zu 49 Prozent einer neuen gemeinsamen Atommüllfabrik in La Hague übernehmen können.

Die Cogema selbst (6,3 Mrd. Mark Umsatz) war als Staatskonzern damals nicht zu kaufen. Inzwischen aber hat die französische Regierung der Veba ein Verkaufsangebot für Teile der Cogema gemacht. Nachdem der französische Konzern bei der Geschäftsbereinigung mit dem Atompartner Iran 1991 gerade 500 Mio. Mark extra eingenommen hat, halten die Konzernbosse in Düsseldorf die Gelegenheit offenbar für günstig. Veba übernähme mit der 49-Prozent-Beteiligung an Cogema, von der die 'FAZ‘ berichtete, praktisch die Kontrolle in La Hague.

Während sich die Konzernspitze in Düsseldorf gestern vorsichtig äußerte, jubelten die Franzosen ganz unverhohlen über den geplanten deutschen Einstieg. Jean Syrota, Chef der Cogema, verkündete euphorisch: „Die Zukunft der Atomenergie ist sicher.“ In der BRD sei die geplante Verminderung des Kohlendioxidausstoßes nur mit der sauberen Atomenergie zu erreiche, so der Konzernchef. Die USA, Schweden, Spanien, Japan, Korea und Taiwan, der Atommanager aus Versailles konnte die Zahl der Staaten, in denen er Revivals der Atomkraft sieht, gar nicht mehr zählen.

Die Cogema-Bilanzen des vergangenen Jahres sprechen aber eine ganz andere Sprache. Weil kaum neue AKWs gebaut werden, ist die Nachfrage nach Uran schwach. Der Preis für ein Kilo angereichertes Uran, der 1975 noch bei 500 Franc gelegen habe, sei 1991 auf 100 Franc gefallen gewesen. Cogema hat seit 1988 über 2.000 Mitarbeiter von seinen 18.000 Mitarbeitern abgebaut.

Für die Atommüllpolitik der Bundesregierung, die als einzigen Ausweg auf die beiden Atomklos Gorleben und Schacht Konrad im rot-grünen Niedersachsen setzt, gehen die Alarmlichter an. Hatte man sich auf Drängen der SPD der vorherrschenden Expertenmeinung angenähert, daß die direkte Endlagerung des ewig strahlenden Atomschrotts billiger und ungefährlicher sei, als die Wiederaufarbeitung, ist dieser Trend mit den Veba-Plänen nun möglicherweise gestoppt.