Krawall in SO 36 FAP-Demo verhindert

■ 15.000 bei »revolutionärer« Mai-Demo in Kreuzberg/ In Prenzlauer Berg verhinderten 200 Antifas Aufmarsch der rechtsextremen FAP

In Kreuzberg blieb am 1. Mai alles beim alten. Offenbar angespornt von den Riots in Los Angeles, kam es gestern schon am Nachmittag zu Randale. Im letzten Streckenabschnitt der »revolutionären« Demo am Kottbusser Damm griffen Jugendliche mehrere zum Objektschutz abgestellte Polizisten mit Stein- und Flaschenwürfen an. Zuvor gingen Fensterscheiben und Leuchtreklame zu Bruch, mehrere Autos wurden mit Molotowcocktails in Brand gesetzt. Nachdem sich die Beamten erst mit Tränengasgranaten wehrten, flüchteten sie in Richtung Kottbusser Tor. Ab 16.30 Uhr kam es auch in den umliegenden Straßen zu vereinzelten Auseinandersetzungen. Die Polizei sperrte die Oranienstraße kurzerhand, der U- Bahn-Verkehr auf der Linie 1 wurde ab Prinzenstraße eingestellt. Bis Redaktionsschluß wurden rund sechzig Personen festgenommen.

Die »revolutionäre« Demo, die sich pünktlich um 13 Uhr am Oranienplatz in Bewegung setzte, verlief indes weitgehend friedlich. Bei schönem Wetter versammelten sich rund 15.000 Menschen hinter dem Leittransparent »In die Herzen ein Feuer, unser Kampf geht weiter«. Im Zug waren nur wenige Vermummte. Farbe brachte vor allem der Ost- Block und der lesbisch-schwule Block, aus denen heraus phantasievolle Sprüche ertönten. Obwohl sich einige Demonstranten mit Transparenten wie »Keine Gewalt« den Randalierern entgegenstellten, setzten sich die Parolen durch, die sich mit den Rassenunruhen in den USA solidarisierten. Während der Demo wurde an der Kreuzung Wiener/ Ecke Ohlauer Straße ein Computerladen geplündert.

Zu Beginn der Demo kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem undogmatischen Flügel der Autonomen und Anhängern der maoistischen Revolutionären Internationalistischen Bewegung (RIM) und der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP/ML). Mit Hilfe der Polizei konnte die von der RIM geplante Demo-Route zum Brandenburger Tor unterlaufen und statt dessen nach Kreuzberg durchgesetzt werden.

Die Polizei hatte gestern 3.500 Beamte im Einsatz, Polizeipräsident Georg Schertz informierte sich persönlich vor Ort. Bei dem Polizeieinsatz war jedoch keine Taktik auszumachen. Während die Beamten die Plünderung des Computerladens durch fehlenden Objektschutz geradezu provozierten und selbst nach einer Viertelstunde noch nicht auftauchten, setzte die Einsatzleitung bei den ersten Steinwürfen auf Deeskalation und zog die aufgefahrenen Wasserwerfer wieder zurück. Der Bundesgrenzschutz kam bis Redaktionsschluß nicht zum Einsatz. Die Auseinandersetzungen in Kreuzberg setzten sich auch nach Ende der Demo fort und dauerten bis in die Abendstunden an.

Ausschreitungen bei FAP-Aufmarsch

Auch im Bezirk Prenzlauer Berg kam es gestern nachmittag zu Ausschreitungen. Anhänger der rechtsradikalen Freiheitlich-Deutschen Arbeiterpartei (FAP) hatten sich um 15 Uhr auf dem Ernst-Thälmann- Platz zu einer Demonstration versammelt, die jedoch von Anhängern der autonomen und antifaschistischen Gruppen verhindert wurde. Das Schauspiel auf dem großräumigen Platz war gespenstisch. Rund 50 FAP-Anhänger, etliche davon waren kahlgeschoren, trugen Bomberjacken und Springerstiefel, schwenkten im Windschatten des bronzenen KPD-Führers rote Fahnen mit einem schwarzen FAP-Zeichen auf weißem Grund und schrien: »Rot Front, verrecke.« Vom Außenrand des Platzes, der von mehreren hundert mit Schildern ausgerüsteten Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) umstellt war, schallte es aus den Reihen der dort stehenden rund 200 Anhänger der Antifa und Autonomen wütend zurück: »Nazis raus.« Obwohl die Antifas und die Rechten von Polizeibeamten weit auseinander gehalten wurden, gelang es einzelnen Gegendemonstranten, sich durch die Büsche in die Nähe der Rechten zu schleichen und von dort Steine und Leuchtstoffmunition abzufeuern. Ein Anhänger der FAP wurde von einem Wurfgeschoß am Kopf verletzt.

Angesichts der Übermacht der Gegendemonstranten zogen die FAPler es schließlich vor, ihren Aufmarsch abzublasen. Zuvor hatte der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei, Friedhelm Busse, »seine Kameraden und Kameradinnen« noch zur »Disziplin« aufgefordert: »Die Polizei«, so Busse, »hat unseren Schutz übernommen und wird für Ruhe und Ordnung sorgen.« »Wenn wir eines Tages 3.000 bis 5.000 Leute sind, brauchen wir die Polizei nicht mehr. Eines Tages kommt der Tag der Rache, wir kriegen euch alle«, drohte Busse lauthals unter tosendem Applaus seiner Anhänger in Richtung der »roten Gegenseite«. Nachdem die FAP-Demonstration abgesagt war, stand die Polizei vor dem großen Problem, die Rechten an den Gegendemonstranten vorbei zur S- Bahn zu bringen. Sie löste es, indem sie die Rechten vorn und hinten mit Beamten und daneben mit zwei Wasserwerfern eskortierte. Die Gegendemonstranten liefen auf der anderen Straßenseite mit und versuchten, den Zug mit Steinwürfen aufzuhalten. Die Steine klaubten sie aus der Straßenbahn-Fahrrinne. Die Geschosse schlugen kreuz und quer zwischen Passanten, Polizisten und den Rechten ein, daß es nicht zu Schwerverletzten kam, war ein Wunder. Einige der Rechten schmissen Steine zurück. Schließlich gelang es den Beamten aber doch, die FAPler in den S-Bahnhof zu schleusen und in einen dort wartenden Zug Richtung Ostkreuz zu setzen. Der Zug, in dem ganz normale Fahrgäste saßen, wurde von unten so mit Steinen bombardiert, daß zahlreiche Fensterscheiben zu Bruch gingen. Vor Beginn der FAP-Demonstration hatte die Polizei einige Rechte festgenommen, nachdem in deren PKW zwei Gaspistolen und ein Totschläger gefunden wurden. Auch auf seiten der Antifas kam es zu Festnahmen. jgo/mize/plu