INTERVIEW
: „Die Polarisierung ist unvermeidlich“

■ Ein Sendero-Mitglied erklärt die Strategie der Guerilla nach dem „Fuji-Putsch“

Das folgende Gespräch mit einem Basisaktivisten von Sendero Luminoso wurde auf einem Fußballplatz im Bezirk Lurigancho in Lima geführt. Der Interviewpartner, ein etwa 25jähriger Schullehrer, wollte aus naheliegenden Gründen keinen Namen nennen.

taz: Was bedeutet für Euch der Fujimori-Putsch?

Senderista: Das Parlament und der Justizapparat sind die wichtigsten Instrumente der bürgerlichen Demokratie. Die Polarisierung ist jetzt unvermeidlich: Es wird zwei politische Positionen geben, zwei Präsidenten und zwei Armeen, die einander bekämpfen. Das ist gut so.

Wird der Putsch die Konfrontation beschleunigen?

Natürlich. Früher hatten wir große Probleme mit dem Linksbündnis Izquierda Unida, jetzt nimmt uns die Regierung die Mühe ab. In zwei Tagen haben wir zweimal in Villa El Salvador zugeschlagen.

Dort ist doch die legale Linke relativ fest verankert. Die Bürgermeisterin Maria Elena Moyano, die ihr umgebracht habt, war ein Symbol für erfolgreiche Basisorganisation.

Maria Elena Moyano war eine Feindin der Partei. Als im Februar ein bewaffneter Streik als fortgeschrittene Form des Kampfes ausgerufen wurde, führte sie einen Friedensmarsch an. Sie hat ihren Tod geradezu gesucht. Außerdem hat sie Lebensmittelspenden verschoben, die dann bei Straßenhändlern in Lima auftauchten.

Immer wieder hört man von Attacken des Sendero Luminoso auf die Zivilbevölkerung.

Das ist falsch, den Völkermord verübt die Armee.

Was ist mit den Bürgermeistern?

Das Problem ist nicht die Tötung von Personen. Es geht darum, ein Machtvakuum zu schaffen. Der Bürgermeister repräsentiert den Staat, mit dem wir im Krieg liegen. Er ist also gewarnt.

Unterscheidet Ihr nicht zwischen solchen, die von den Militärs eingesetzt wurden und jenen, die von der Bevölkerung gewählt sind?

Was sind das für Wahlen? Wie Marx schon sagte: die Bourgeoisie kommt regelmäßig zusammen, um den nächsten Präsidenten aus ihrer Mitte zu wählen.

In einem Dorf von 500 Einwohnern, wo sich alle persönlich kennen?

Seit Beginn des Krieges haben die Militärs die Kandidaten ausgewählt und das Volk wählen lassen. Dasselbe gilt für die „rondas campesinas“ — die bäuerlichen Selbstverteidigungspatrouillen. Sie werden von den Militärs aufgestellt und dienen dem Staat.

Inzwischen wird auch in den städtischen Vororten über die Einrichtung von Patrouillen diskutiert.

In den Wandzeitungen und den Parolen an den Wänden kann man es lesen: Tod den rondas! Es geht nicht darum, alle umzubringen, sondern nur die Anführer. Damit entsteht ein Vakuum und die Sache ist erledigt. Die Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung wurde uns von den Spaniern gebracht: sie hatten die überlegene Organisation. Unsere Gewalt ist nicht willkürlich, sie ist organisiert und politisch. Wir sind überzeugt, daß wir siegen werden, da wir die Massen hinter uns haben.

Wie stellt ihr euch die Organisation der Gesellschaft vor?

Die Mehrheit der Peruaner sind Bauern, dann gibt es noch ein paar Arbeiter. Das Bündnis muß Bauern, Arbeiter und Kleinbürger einschließen. Die Führungsrolle fällt dem Proletariat zu, weil es sich nicht verkauft. Die Bauern neigen zur bürgerlich-kapitalistischen Ideologie. Also muß das Proletariat, vertreten durch seine Partei, die Führungsrolle übernehmen.

Wer wird in einem Land unter Führung der Kommunistischen Partei investieren wollen?

Wir haben nicht das Problem der Kubaner. Kuba ist eine Insel ohne nennenswerte Rohstoffe. Peru ist reich. Alle werden mit uns Geschäfte machen wollen, um an die Rohstoffe zu kommen: Peru hat Bodenschätze, Erdöl, eine Meeresküste.

Wie ist die Partei organisiert?

In konzentrischen Kreisen. Den äußersten Ring bilden die Freunde und Sympathisanten: sie stellen ihr Haus zur Verfügung oder helfen mit Spenden. Sie sind in den Massen und ihren Organisationen wie den Gewerkschaften zu finden. Dann kommt die Armee, die kämpft, produziert und mobilisiert. Schließlich sitzt in der Mitte die Partei, die den Volkskrieg anführt. Sie hat eine Führung, die besonders erleuchtet ist, die die Philosophie, die Strategie und die militärische Taktik entwirft. Diese Organisation ist unmöglich zu durchdringen.

Welches ist die nächste Phase des Krieges?

Wir befinden uns in der Phase des strategischen Gleichgewichts, in der sich die beiden Streitkräfte ebenbürtig gegenüberstehen.

Also hat momentan keiner die Kraft zum militärischen Sieg?

Richtig. Jetzt soll dieses Gleichgewicht gebrochen werden und die Offensive beginnen. Dann folgt die Eroberung der Macht, der Aufstände in den Städten, vor allem in Lima, vorausgehen.

Wir haben also in der nächsten Zeit mit größeren Attacken in Lima zu rechnen?

Wir erwarten in den nächsten Wochen und Monaten schlagkräftige Aktionen, die den korrupten Staat erschüttern. Natürlich wird es dabei Tote geben und Unschuldige werden sterben. Aber das gehört zum Krieg.