Tauziehen um Hennigsdorfer Stahlwerk

■ Mitbestimmungsstreit gefährdet Übernahme durch den italienischen Stahlkonzern Riva/ Neue Verhandlungsrunde bei der Treuhand/ Betriebsrat sieht Montanmitbestimmungsrechte ausgehebelt

Berlin (dpa/ap/taz) — Trotz der in letzter Minute aufgetauchten Schwierigkeiten scheint die Übernahme des brandenburgischen Stahlwerks Hennigsdorf durch den italienische Stahlkonzern Riva nicht mehr gefährdet zu sein. „Nach dramatischen Verhandlungen“ sei es der Treuhand am Donnerstag wenige Stunden vor Ablauf des vertraglich gesetzten Termins gelungen, Riva doch noch zur Übernahme zu bewegen, teilte Treuhand-Sprecher Wolf Schöde mit.

Riva wird vorerst für vier Wochen im Auftrag der Treuhand die Geschäfte des Stahlwerks führen. Ein endgültiger Betriebserwerb, wie er im Dezember 1991 vereinbart wurde, habe jedoch noch nicht stattgefunden, so Schöde gestern. Vor Vertragsabschluß müßten noch einige arbeitsrechtliche Fragen zwischen Riva, der IG Metall und den Betriebsräten geklärt werden. Man hoffe, daß dies in der nächsten Woche gelinge.

Nachdem ein letztes Vermittlungsgespräch in dem seit März zwischen Riva und der Gewerkschaft schwelenden Streit in der Nacht zum Donnerstag bei der Treuhand gescheitert war, drohte der Deal zu platzen. Die Auseinandersetzungen hatten sich an der Montanmitbestimmung entzündet. Diese soll, so die ursprüngliche Einigung, in Hennigsdorf bis 30. Juni 1996 praktizert werden. Riva hatte im Dezember die Zusage gegeben, 1.050 der über 4.000 Stahlkocher in die neue Hennigsdorfer Elektro Stahl GmbH weiterzubeschäftigen. Nachdem die Riva-Geschäftsleitung angekündigt hatte, in Kürze aber nur noch 900 Beschäftigte zu benötigen und damit die für die Montanmitbestimmung erforderliche Zahl von 1.000 Mitarbeitern zu unterschreiten, verließen Betriebsrat und IG Metall die Verhandlungen und stiegen auf die Barrikaden. Sie befüchteten, damit solle die Montanmitbestimmung ausgehebelt werden, die den Arbeitnehmervertretern ein paritätisches Mitspracherecht bei den Unternehmensentscheidungen zusichert. Riva hatte daraufhin die Verhandlungen abgebrochen.

Durch die Gewährleistung der unternehmerischen Verantwortung könne der Konflikt nun in Ruhe entschärft werden, meinte Schöde. Treuhand-Vorstand Hans Krähmer will in der kommenden Woche erneut mit Riva eine Lösung suchen. Nach Auskunft von Rechtsexperten läßt sich die Frage nach der Art der anzuwendenden Mitbestimmung nur in einem langen Gerichtsverfahren klären.

Sollte eine Einigung nicht zustandekommen, so Krähmer, müßte sich die Treuhand eventuell nach einem neuen Investor umsehen. Er mahnte die Arbeitnehmervertreter zu Besonnenheit: Man solle die Privatisierungsmöglichkeit nicht aufs Spiel setzen, durch die Arbeitsplätze gesichert, 120 Millionen Mark Investitionen getätigt und die Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden könne. es