Panzeraffäre war illegal

Dennoch wird Rüstungssonderhilfe an Türkei bezahlt/ Gleichzeitig wachsender Druck der Rüstungsindustrie auf Bonn/ Im Mai sollen Kampfflugzeugslieferungen wiederaufgenommen werden  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Als „illegal“ verurteilte der Bundestag am vergangenen Donnerstag die von der Hardthöhe unter Ex-Minister Stoltenberg betriebene Auslieferung von 19 Leopard-Panzern an die Türkei. Doch trotz aller politischer Geißelung soll die an dem Exportgeschäft beteiligte Rüstungsindustrie nun zu ihrem Geld kommen.

Der Haushaltsausschuß des Bundestages hob seine am 7. November 1991 verfügte Sperre über Zahlungen von rund 25 Millionen Mark an Krauss-Maffei auf. Gleichzeitig wächst der Druck der Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) auf die Bundesregierung. Sie fordert, die Lieferung von Kampfflugzeugen und -hubschraubern an die Türkei noch im Mai wiederaufzunehmen. Begründet wird dies mit der drohenden Konkurrenz von seiten der USA und der GUS-Staaten.

Mit der Auslieferung von 19 Panzern an die Türkei bis einschließlich 24. Februar 1992 habe die Hardthöhe gegen den Beschluß des Haushaltsausschusses vom 7. November sowie des Parlamentsplenums vom 27. November verstoßen, heißt es in der vom Bundestag verabschiedeten Entschließung.

Doch politisch schöne Worte befriedigen natürlich nicht die finanziellen Forderungen der Rüstungsindustrie. Und so erfolgte die Aufhebung der Zahlungssperre durch den Haushaltsausschuß auf Antrag des Bundesfinanzministeriums. Dagegen stimmten die Abgeordneten von SPD und PDS.

Das Finanzministerium begründete sein von der Hardthöhe unterstütztes Entsperrungsbegehren mit den vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Bundesregierung gegenüber Krauss-Maffei. Mit der bayerischen Rüstungsfirma hatte Bonn im März 1988 einen Vertrag im Gesamtvolumen von 217,7 Millionen Mark über die Lieferung von insgesamt 150 Leopard-1-Panzern an die Türkei im Rahmen der zwischen der bundesrepublik und der Türkei vereinbarten „Rüstungssonderhilfe“ geschlossen.

Zugleich erwartet MBB vom Bundesverteidigungsministerium noch im Mai ein Okay für die Wiederaufnahme von Kampfflugzeug- und —hubschrauberlieferungen nach Ankara. Die Firma droht mit Regreßansprüchen, falls die Lieferung weiterhin untersagt bleibt. Hardthöhe und Auswärtiges Amt fühlen sich unter wachsendem Druck, weil die Türkei die gewünschten Hubschrauber auch aus den USA erhalten können — und zwar ohne Vorbehalte gegen interne Einsätze: etwa im Bürgerkrieg gegen die Kurden. Auf der Hardthöhe beobachtet man zudem mit wachsender Sorge Bemühungen der GUS auf dem Rüstungsmarkt des NATO-Staates Türkei Fuß zu fassen.

Wie aus internen Berichten und Lageeinschätzungen der Bundesluftwaffe hervorgeht, führten Vertreter Rußlands den türkischen Militärs bereits am 26. März auf einem Flugplatz bei Ankara die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten ihres Kampfhubschraubers vom Typ MI-24 vor. Die Türkei plant zwecks Modernisierung der Hubschrauberflotten aller ihrer Teilstreitkräfte die Beschaffung von mindestens 200 neuen Kampfhubschraubern.

In dem diese Woche den Ausschüssen für Haushalt und Verteidigung zugeleiteten internen Untersuchungsbericht zur Panzeraffäre, der der taz vorliegt, bleibt auch das inzwischen von Volker Rühe geführte Bundesverteidigungsministerium bei der Schuldzuweisung an den ehemaligen Leiter der Hauptabteilung Rüstung, Wolfgang Ruppelt.

Die Beratung dieses Berichts verschoben Haushalts- und Verteidigungsausschuß diese Woche auf ihre nächsten Sitzungen. Danach wollen die Oppositionsparteien entscheiden, ob sie die Affäre ad acta legen oder — wie noch während der Türkeidebatte des Bundestages Anfang April — eine externe Untersuchung durch den Bundesrechnungshof verlangen.