Tief verschleiert und im Minirock

■ Bremer Frauenerwerbsverein wird 125 Jahre alt: Krasse Gegensätze nicht nur bei der Modenschau der Schülerinnen

Das Ergebnis einer dreijährigen Ausbildung...

Sabine Uhl hat sich hier mit einem Kochkurs auf die Ehe vorbereiten lassen, die erste Krankenschwester des Deutschen Roten Kreuzes ist hier ausgebildet worden, die Wurzeln jeglicher Berufsausbildung für Frauen in Bremen liegen hier: Der Frauen-, Erwerbs- und Ausbildungsverein Bremen feiert in diesem Jahr sein 125jähriges Jubiläum.

Der 1867 gegründete Verein, der in Zeiten der Frauenstimmrechtsbewegung seine Anfänge hat und ursprünglich zur „Erweiterung des weiblichen Arbeitslebens“ bestimmt war, fing mit

hier bitte das Foto

von der Frau mit Hut

— den schwarzen Rand bitte

stehen lassen! —

Kursen für Kinderpflegerinnen und einer Nähschule an; „Samariterkurse“, Fortbildungen im kaufmännischen Bereich und sozialpädagogische Seminare folgten. Heute bildet der Verein benachteiligte Frauen und AusländerInnen zu Schneiderinnen und Hauswirtschafts-Gehilfinnen aus. Dreißig Ausbildungsplätze stehen zur Verfügung; die Frauen, meist Sonderschülerinnen, werden über das Arbeitsamt vermittelt. Mit der dreijährigen Ausbildung, deren praktischer Teil in öffentlichen Einrichtungen absolviert wird, erreichen sie gleichzeitig den Hauptschulabschluß.

Was die Frauen dort, im vereinseigenen Haus in der Carl- Ronning-Straße, lernen, zeigten sie am Mittwoch vergangener Woche auf einer Präsentation der Auszubildenden: Einige Tage hatten die Hauswirtschafts-Gehilfinnen Leckereien fürs Bufett zubereitet — einige Monaten arbeiteten die angehenden SchneiderInnen an einer eigenen Kollektion, die sie auf einer Modenschau vorführten.

Krasser könnten die Gegensätze nicht sein: Zwei Drittel der Schneiderinnen sind Ausländerinnen, meist Türkinnen. Und während einige von ihnen fast profihaft ihre eigenen Raglanmäntel, Boleros und Marlene- Dietrich-Hosen auf dem Laufsteg vorführten, saßen viele ihrer Mitschülerinnen verschleiert daneben.

Viele Türkinnen werden von ihren Familien zum Frauen-, Erwerbs- und Ausbildungsverein geschickt, weil sie dort nur mit Frauen zusammen sind. Und so landen dort auch Frauen, die eigentlich in einem normalen Berieb besser aufgehoben wären: Da ist zum Beispiel Dilek, 19 Jahre alt, heimlicher „Star“ mit ihren umwerfenden selbstgeschneiderten Modellen, die sie auf dem Laufsteg wie ein Model vorführt.

„Ich war vorher auf der Realschule“, erzählt sie. „Hier habe ich eine Menge Sachen gelernt, die ich woanders nicht lernen könnte — anschließend will ich das Abitur nachholen und Modedesign studieren.“ Und dem Lernen in einer Frauenklasse bescheinigt sie „eine tolle Atmosphäre.“

Nicht alle Absolventinnen werden allerdings so selbstbewußt ihren Weg machen: Für viele ehemalige Sonderschülerinnen wird die Zeit im Frauenerwerbsverein lediglich eine zeitliche Verschiebung der Arbeitslosigkeit sein. Aber immerhin haben sie durch die vom Arbeitsamt geförderte Ausbildungsmaßnahme die Chance, mit einer gründlich erarbeiteten zusätzlichen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt etwas besser gestellt zu sein. skai