Polizeieinsatz wie zu Kewenigs Zeiten

■ 4.500 Polizeibeamte sperrten am 1. Mai halb SO 36, während die Krawallmacher sich längst in Prenzlauer Berg austobten/ CDU lobt Polizei

Berlin. Am 1. Mai blieb in Kreuzberg doch nicht alles beim alten. Während die Gewalt auf seiten von Autonomen und Kiezjugendlichen erkennbar zurückging, griff Innensenator Dieter Heckelmann (CDU- nah) auf die umstrittenen Konzepte seines Vorgängers Wilhelm A. Kewenig zurück. Entgegen vorherigen Angaben, waren statt 3.500 schließlich 4.500 Polizeibeamte und 500 BundesgrenzschützerInnen unterwegs, um etwaige Randalierer in Schach zu halten. 286 Personen, darunter auch Unbeteiligte, wurden festgenommen. Bis Sonntag nachmittag lag gegen acht von ihnen ein Haftbefehl wegen »schweren Landfriedensbruchs« vor.

Als Ergebnis des Masseneinsatzes war die Oranienstraße vom Görlitzer Bahnhof bis zum Oranienplatz über Stunden gesperrt. Beamte verwehrten auch AnwohnerInnen den Zutritt, sofern sie sich nicht als dort wohnhaft ausweisen konnten. Von dieser Maßnahme besonders betroffen waren türkische KreuzbergerInnen, die üblicherweise keine Adresse im Paß stehen haben.

Gegen 19.30 Uhr stellte die Polizei auf dem unter Schlagstockeinsatz geräumten Heinrichplatz einen Kantinenwagen auf, um die Beamten mit Würstchen zu füttern. Obwohl am späteren Abend kaum noch »gewaltbereite Störer« in Kreuzberg waren, wurden Kreuzungen immer wieder durch Tränengas geräumt. Wer nicht schnell genug in einen Hauseingang flüchtete, wurde festgenommen. Auch Journalisten wurde Polizeigewahrsam angedroht.

Zu einer gespenstischen Verhaftungsszene kam es gegen 21 Uhr am Kottbusser Tor nach einer Auseinandersetzung zwischen türkischen Jugendgruppen und der Polizei. Mit Scheinwerfern strahlten Polizisten eine etwa 30köpfige Gruppe an, aus der heraus angeblich Straftaten begangen worden seien. Unter heftigem Schlagstockeinsatz wurden Kinder wie Erwachsene brutal durchsucht und auseinandergezerrt. Das krawallbereite Potential hatte sich derweil nach Prenzlauer Berg abgesetzt. In der Schönhauser Allee und rund um den Kollwitzplatz gingen Autofenster zu Bruch; vereinzelt wurden Barrikaden gebaut.

Die Fraktion Bündnis 90/Grüne verurteilte das harte Vorgehen von Polizei und Bundesgrenzschutz. Der innenpolitische Sprecher Wolfgang Wieland bedauerte auch die Ausschreitungen von seiten der Randalierer. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sowie der Innensenator lobten hingegen das »umsichtige« Verhalten der Polizei. »Der Dank und die Solidarität der Berliner SPD gilt insbesondere den verletzten Polizisten«, so Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller. CDU- Fraktionsvorsitzender Klaus Landowsky sah den Beweis erbracht, daß es »unverändert ein beachtliches Potential an Chaoten und Politkriminellen« in Berlin gäbe. Die Kreuzberger Grünen/AL begründeten den Krawall mit der »Perspektivlosigkeit in großen Teilen der Bevölkerung«. Sie mache die Bereitschaft »verständlich, mit Gegenwehr, mit Notwehr zu reagieren«. jgo/mize

Siehe Bericht auf Seite 6