INTERVIEW: Makler reden über sich
■ Die taz sprach über das heimliche Leiden dieses Berufsstands mit einem Betroffenen
Sie sind reich. Sie fahren Porsche. Sie machen Geschäfte mit der Not anderer. So stellen sich die meisten Menschen einen Immobilienmakler vor. Die wenigsten haben persönlich Kontakt zu einem Betroffenen, obwohl es viele von ihnen gibt. Der Grund: die Makler haben Angst, Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung. Sie flüchten sich in kleine Büros, nur mit einem Telefon und einem Karteikasten ausgestattet. Leben in ständiger Angst, enttarnt zu werden.
Du willst deinen Namen nicht nennen?
Nein. Ich habe meine Gründe.
Ich nenn' dich jetzt einfach mal Ulf, du bist letzte Woche in deinem Umfeld sozusagen enttarnt worden?
Nun ja. Ich hatte schon seit einger Zeit bemerkt, daß sich Leute mir gegenüber komisch verhalten haben. Manchmal verstummte das Gespräch, wenn ich den Raum betrat. Ich wurde von oben bis unten angesehen, irgendwie vorwurfsvoll, ja. Irgendwann ist dann einer von meinen Bekannten in die Offensive gegangen. Er hat mich auf den Kopf zu gefragt, ob es denn stimmt, daß ich Makler bin.
Und du hast natürlich zunächst einmal alles abgestritten.
Nein. Das hätte wohl auch keinen Sinn gehabt. Ich kann ja auch für mich persönlich zu dieser Sache stehen. Okay, das hat natürlich auch eine Weile gedauert.
Wann hast du gemerkt, daß du Makler werden willst?
Ich glaube, das war bei mir schon ziemlich früh klar. Das Thema Immobilien hat mich schon ziemlich fasziniert. Ich habe gern Monopoly gespielt und auch meistens gewonnen. Meine Eltern haben das immer versucht zu unterdrücken. Sie nahmen mir den Spielzeugporsche weg. Einmal gab es fürchterlichen Ärger wegen so einer Kleinigkeit. Ich hatte von meinem Bruder Kaution verlangt, weil er in meinem Zimmer fernsehen wolllte. Warum denn auch nicht? Ich hatte ja auch Unkosten, Chips, Cola usw.
Sicher keine untypischen Kindheitserfahrungen. Wann hast du den Schritt in die Öffentlichkeit gemacht?
Das war gegen Ende meines BWL-Studiums. Ich schrieb gerade meine Diplomarbeit, Titel: Der Mieter als Restrisiko. Es ging um Querulantenfrüherkennung bei der Wohnungsbesichtigung. Da hab' ich an der Uni so einen Aushang gesehen. Es gab da so eine Gruppe „Makler reden über sich“. Hab' mich erst nicht getraut hinzugehen, es dann doch gemacht. Das war unheimlich wichtig für mich zu sehen, daß es noch andere wie mich gibt. Maklersein ist ja doch sehr viel verbreiteter als man glaubt, obwohl es natürlich sehr stark tabuisiert ist. Viele in der Gruppe waren schon wesentlich weiter als ich. Die konnten schon total locker und spontan auf Vermieter und Immobilienfirmen zugehen. Die haben mir dann auch erklärt, was eine Räumungsklage ist, das wußte ich ja vorher alles nicht. Irgendwann hab' ich dann auch meinen Eltern alles gesagt.
Wie haben die reagiert?
Meine Mutter fing an zu weinen, sie machte sich schreckliche Vorwürfe, weil ich ja nun wohl „auf die schiefe Bahn gekommen“ sei. Mein Vater wußte, wie immer, alles besser. Er wäre schon damals für hartes Durchgreifen gewesen, das waren seine Worte.
Damals?
Na ja. Da gab es mal so eine Zeit, da hatte ich, ehm, von Klassenkameraden Geld erpreßt. Wer unter 16 war und rauchen wollte, mußte zahlen. Sonst durfte er eben nicht auf die Toilette, tja. Lang her.
Du sagst, du hättest heute keine Probleme, dich zu deinem Maklersein zu bekennen. Bist du trotzdem noch Diskriminierung ausgesetzt?
Es gibt immer noch das Klischee, das ja auch bestimmte Presseorgane immer noch verbreiten, daß ein Makler so ein dicker, schmieriger Typ ist, am besten noch mit der Zigarre im Mund. Das ist natürlich nicht mehr zeitgemäß. 4.000 DM Courtage, was ist das schon? Davon kann ich gerade mal die Monatsrechnung für mein Autotelefon bezahlen.
Würdest du sagen, du propagierst das Maklersein als positive Lebensform?
Auf jeden Fall. Was immer vergessen wird: Die Leute nehmen heutzutage alles für selbstverständlich, Essen, Wohnung, alles. Wir tragen dazu bei, daß die Menschen die alltäglichen Dinge wieder mehr schätzen lernen. Ich kann jedem nur sagen: Wer einmal das dankbare Gesicht von jemandem gesehen hat, der nach Monaten Hängen im Schacht endlich eine Wohnung gekriegt hat, den läßt das nicht mehr los. Das gibt mir dann auch Kraft, weiterzumachen mit meiner Arbeit.
Nachdenkliche Worte zum Schluß, Ulf. Es war sehr mutig von dir, dich für dieses Gespräch zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, du hast damit ein Zeichen gesetzt, auch für andere. Danke für das Gespräch.
Interview: Lisa Steger
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