TOLLKÜHNE MÄNNER IN ROLLENDEN KISTEN

Die alles niederwalzen

Magdeburg (taz) — Volle Deckung, heißt bei erfahrenen Magdeburger Verkehrsteilnehmern die Devise, wenn ein Konvoi aus Regierungsfahrzeugen auftaucht. Denn die Fahrer walzen mit ihren gepanzerten Nobelkarossen gnadenlos nieder, was sich ihnen in den Weg stellt. Und wenn der Weg einmal frei ist, findet sich mit Sicherheit ein Straßengraben, in den man so einen Benz, Audi oder BMW mit Vollgas parken kann. So geschehen Anfang letzten Jahres mit dem Dienstfahrzeug des Ex- Regierungschefs von Sachsen-Anhalt, Gerd Gies. Schaden allein in diesem einen Fall: rund 90.000 Mark. Die 25 Fahrzeuge der Landesregierung waren im vergangenen Jahr in 21 Unfälle verstrickt. 16 davon hatten die Fahrer selbst verschuldet. Die beliebteste Crash-Version: Das Auto der Personenschützer donnert im klassischen Auffahrunfall auf den vorausfahrenden Wagen des Ministers oder Regierungschefs. Jetzt müssen die Regierungs- und Ministerfahrer nachsitzen. Alle sind abkommandiert zur Fahrschule. Dort soll in einem speziellen Sicherheitstraining den Lada-gewohnten VIP-Fahrern der Umgang mit den gepanzerten Nobelkarossen westlicher Herkunft beigebracht werden. Offizielle Begründung: Die Sicherheit der Regierungsmitglieder und die Ebbe in der Landeskasse. Die Kosten für Reparaturen und Neubeschaffungen seien einfach ausgeufert. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man jedoch eine andere Begründung: Schließlich wird in spätestens zwei Jahren wieder ein neuer Landtag gewählt. Und jeder von Regierungsfahrzeugen überrollter Wähler könnte seine Stimme ja aus niedrigen Racheinstinkten der Opposition geben. Eberhard Löblich