Wird die Mercedes-Zufahrt gesperrt?

■ Doch noch Hoffnung für Brüggeweg-Anwohner: Verwaltungsgericht beriet über Verkehrshölle

Seit mehr als zehn Jahren führen sie inzwischen ihren Kampf — die Anwohner des Brüggewegs in Bremen-Hemelingen. Egal ob bei Beiratsssitzungen oder Anwohnerversamlungen, ob im Rathaus, in der Bürgerschaft, bei Daimler oder bei der Demonstration vor der eigenen Haustür: Bislang waren die autogeplagten HemelingerInnen immer die Verlierer. Doch seit gestern können die AnwohnerInnen der Bremer Verkehrshölle mit einiger Hoffnung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Bremen warten.

Das Gericht hatte sich im restlos überfüllten Saal mit einer Klage von zwei AnwohnerInnen aus dem Brüggeweg und der Schlengstraße gegen die Stadtgemeinde Bremen zu beschäftigen und gegen Ende der zweistündigen Verhandlung meinte der Vorsitzende Richter Hasso Kliese: „Es gibt merere Gesichtspunkte, die sehr dafür sprechen, daß die Stadtgemeinde gehalten ist, mehr zu tun als bisher.“ Und dann nannte Kliese auch ein konkretes Beispiel: „ein zeitlich unbefristetes LKW-Fahrverbot.“

Genau dies wollen die AnwohnerInnen mit ihrer Klage erreichen. Bislang hat die Behörde nach langem Zögern lediglich ein LKW-Nachtfahrverbot erlassen, das von den Gewerbetreibenden auch noch mit einer Ausnahmegenehmigung zu unterlaufen ist.

Zu Beginn der Verhandlung riefen die Verwaltungsrichter noch einmal die einzelnen Stationen des mehr als zehnjährigen Planungschaos in Hemelingen in Erinnerung. Wegen der „sehr hohen Grundbelastung“ des Brüggewegs hatte der Senat schon im Februar 1980 ein Verkehrskonzept Bremer Osten verabschiedet. Der Verkehr, so die damalige Prognose, werde wegen der Werkserweiterung bei Daimler Benz „erheblich“ zunehmen. Das Gegenmittel des Senats hieß „wohnstraßenfreie Verbindung“, populärer auch: Hemelinger Tunnel. Der wurde über Jahre in den verschiedensten Varianten hin- und hergeplant, ehe er zehn Jahre später, im Herbst 1990 zu den Akten gelegt wurde.

Die ganzen Jahre über donnerten die tonnenschweren Laster ohne Unterlaß über den nur 5,30 Meter breiten Brüggeweg. Und nicht nur das: Wenn auf der Autobahn ein Stau ist, muß die kleine Straße sogar als Umleitung für den Fernverkehr herhalten.

Richter Kliese: „Verkehrsplanung ist eigentlich nicht Sache des Verwaltungsgerichts...“

Im Februar 1991 hatten die Anwohner des Brüggewegs eine Verkehrszählung durchgeführt. Sie zählten zwischen 4.45 und 0.30 Uhr 16.292 PKW, 1.365 Laster, 268 Busse der BSAG, und 200 Fahrzeuge des Daimler- Werksverkehres. Zufällig am selben Tage beschäftigte der Senat sich wieder einmal mit dem Brüggeweg. Das Amt für Straßen- und Brückenbau (ASB) hatte in die Senatsvorlage lediglich eine Verkehrsbelastung von 10.040 Autos täglich hineingeschrieben. „Kann das ASB dazu mal was sagen?“, fragte Richter Kliese gestern. „Unsere Zahlen sind nicht so weit von denen der Anwohner entfernt“, meinte darauf ein Mitarbeiter des ASB. Denn das Amt rechnet ihre Zahlen auf das ganze Jahr — einschließlich Sonn- und Feiertagen — hoch und kommt so auf eine wesentlich geringere Durchschnittszahl. Als sich Richter Kliese wunderte, daß die ASB- Zahlen 1991 sich gegenüber den Messungen von 1985/86 kaum erhöht haben, hatte der Mitarbeiter des ASB zudem Erstaunliches mitzuteilen. „Die 91er Zahlen wurden bereits 1987 gemessen.“

Von juristischem Interesse ist außer den Lärmwerten vor allem die Frage, ob es sich beim Brüggeweg planungsrechtlich um eine „Hauptverkehrsstraße mit überörtlicher Bedeutung handelt.“ Der Rechtsanwalt der Stadt, Volkmar Schottelius suchte tief in der Vergangeheit nach Argumenten. „Die Straße hatte schon zu Borgwards Zeiten eine gewisse Bedeutung“, meinte er und: „Dieser Charakter ist ihr einfach so zugewachsen.“ Wunderte sich Richter Kliese: „Aber die Stadt hat doch schon 1979 gesagt: Eine Steigerung des Verkehrs darf nicht zugelassen werden.“

Wenn nun aber der Brüggeweg für LKW's gesperrt wird, welche Lösungsmöglichkeiten gibt es dann? „Ein Konzept haben wir in den Akten nicht gefunden“, bemerkte Kliese süffisant. Also spielte das Gericht mit den Vertretern der Stadt alle denkbaren Ersatztrassen durch (Kliese: „Das ist eigentlich nicht Sache des Gerichts“) und kam immer wieder zu dem Schluß: „Eine Alternative steht derzeit nicht zur Verfügung.“

Bis dann Anwalt Schottelius doch noch eine Idee kam: „Die Lösung ist ein vernünftiges Konzept“, merkte er an. Und bis dahin müsse die Verwaltung mit „verkehrsregelnden Maßnahmen für den Brüggeweg „zuwarten.“

Ob die Verwaltungsrichter den AnwohnerInnen dies zumuten wollen, entscheidet sich in den nächsten 14 Tagen. Bis dahin soll der Tenor des Urteils formuliert sein. hbk