: Gemischte Platte
■ Ultrakurzwellen-Kabelsalat im Gesamtberliner Realradio
In Berlin können 19 Radiosender auf UKW im »normalen« Radio gehört werden. Wem das noch nicht reicht, kann sich einen Kabelanschluß zulegen und hat so die Auswahl unter sieben weiteren Sendern — ein Angebot zwischen Dilettantismus und professionellen Nachrichtensendern mit Merkwürdigkeiten.
Wer die Frequenz 92,75 MHz einschaltet, wird meistens allerdings Pech haben. Hier sendet der Offene Kanal oft ein beredtes Rauschen, Nachwuchs-Discjockeys versuchen sich hin und wieder an gängiger Discomusik und freuen sich, wenn mal einer der schätzungsweise 53 Hörer anruft und der neben ihm sitzenden Freundin Grüße bestellt. Allerdings gibt es manchmal auch qualitativ gute Dokumentationen von Hobby- und Profijournalisten, denen man eine größere Hörerschaft wünschen möchte.
Das Rauschen im Mischkanal auf 90,8 MHz wird zuweilen von »Tegelradio« und den »Havelwellen« durchbrochen. Die Musikauswahl macht dem Dudelfunk »Hundert,6« Konkurrenz. — Besondere Leckerbissen hat der Sender Radioropa- Info (93,3 MHz) auf Lager. Die private Europa-Infowelle aus dem Eifel-Kaff Daun, etwa 50 Kilometer von der belgischen Grenze entfernt, hat wohl die krummste Werbung: Ölfeld- und Edelstahlrohre von tps technik tube werden dem Hörer offeriert, Technifax-Telefaxgeräte soll man genauso kaufen wie die Satellitenempfangsanlagen von Techni- Sat. Außerdem wird das 'Info-Sat- Magazin‘ angeboten, das über die Möglichkeiten des Satellitenrundfunk- und -fernsehempfangs informiert.
Der Grund für die Merkwürdigkeiten: Sender, Zeitung, Empfangsanlagen und Rohre kommen alle aus demselben Stall, der »Technik«- Gruppe von Peter Lepper und seiner Familie. Die Unternehmensgruppe hat offensichtlich soviel Geld mit dem Verkauf von Empfangsanlagen und Rohren erzielt, daß sie sich seit dem 3. Oktober 1990 den eigenen Satellitensender (über ASTRA 1A und DFS Kopernikus1) mit 42 Mitarbeitern leisten kann. Radioropa-Info ist allerdings ein Kompliment zu machen: Man wird rund um die Uhr umfassend informiert. Es gibt alle 15 Minuten Euro-, Deutschland- und Weltnachrichten in getrennten Blöcken. Längere Korrespondentenberichte aus aller Welt gehören zum Grundrepertoire des Senders. Ganze Informationsblöcke und Nachrichtensendungen werden vom deutschen Dienst der BBC London übernommen. Auch von anderen Sendern wie beispielsweise Radio Schweden kommen deutschsprachige Berichte. Im Gegensatz zum unsäglichen »Info-Radio« in Berlin hämmert Radioropa-Info den Leuten nicht permanent ein, wie toll und aktuell der Sender angeblich ist — das Produkt spricht meist für sich. Dieser Informationssender hat zudem ein gutes Musikprogramm zwischen den Beiträgen: Pop- und Rockmusik der letzten 30 Jahre, selten schnulzig, allerdings mit wenig Experimentierfreude. Mal sehen, wie lange der Exot sich wegen der noch weitgehend ausbleibenden Werbeeinnahmen auf den Satellitenwellen halten kann.
Die Überlebenschancen von »Klassik Radio« aus Hamburg sind da schon etwas größer. Seit über einem Jahr ist der Sender im Berliner Kabel auf 88,45 MHz zu empfangen, in Hamburg und einigen Städten Bayerns auch terrestrisch. Über Tochtergesellschaften gehört Klassik-Radio zum Bertelsmann-Konzern. Das erklärt auch, warum der Sender elf feste und 30 bis 40 freie Mitarbeiter hat. Ununterbrochen 24 Stunden klassische Musik sind das Konzept, garniert mit Konzert- und Theaterberichten, unterbrochen von Nachrichten und einer Werbung, die manchmal in ihrer dümmlichen und aufdringlichen Art wie die Faust aufs Auge zum Klassik-Musikprogramm wirkt. Unter Klassik versteht der Sender auch klassischen Jazz, und zum Teil auch Operetten. Trotzdem: Klassik-Radio hat ein Musikprogramm, das nicht nur für das geruhsame Sonntagmorgenfrühstück geeignet ist. Der Sender wird SFB 3 und DS Kultur sicherlich einige Hörer abspenstig machen.
Bleiben noch das »Star Sat Radio« aus München (106,2 MHz) mit stromlinienförmiger Popmusik, die ein Programmcomputer zusammenstellt, das Tieffliegerprogramm von RTL Radio (88,15 MHz), bekannt auch als Radio Luxemburg, das sich besonders an die Hausfrauen im Rheinland zu wenden scheint, und die »Voice of America« (106,5 MHz) mit ihrem Programm für die US- amerikanischen Soldaten in Europa. Der Sender ist aber nichts für Stereogewöhnte. Die Ami-Musik kommt nur in Mono an. Jürgen Karwelat
In Berlin sind auf der Ultrakurzwelle 19 Sender terrestrisch zu empfangen. Weitere sieben Programme bieten sich dem Verkabelten:
Radioropa-Info93,30 MHz
Klassik-Radio88,45 MHz
Star Sat Radio106,20 MHz
VoA Europe106,50 MHz
RTL Radio88,15 MHz
Mischkanal90,80 MHz
Offener Kanal92,75 MHz
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