Solidarität aus dem Osten für den Westen

■ Gestern begann unbefristeter Streik bei der BVG und der BSR/ Auf westlichen Flughäfen lief nichts mehr/ Solidaritätsstreik im Osten

Berlin. Angesichts des sich zuspitzenden Streiks im öffentlichen Dienst hat Innensenator Dieter Heckelmann (CDU-nah) gestern die öffentlichen Arbeitgeber aufgefordert, umgehend mit einem neuen Angebot an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Gleichzeitig forderte Heckelmann die Gewerkschaften auf, von ihrer Forderung nach 9,5 Prozent mehr Lohn abzurücken. Zugleich sicherte er den Ostbeschäftigten zu, sich für eine Anhebung ihrer Tarife auf 80 Prozent der Westbezüge rückwirkend zum 1. Mai einzusetzen. Pünktlich mit Beginn des unbefristeten Streiks bei den Berliner Verkehrs Betrieben (BVG) waren gestern auch rund 450 Ostberliner BVG-Angestellte in den Ausstand getreten. Wie im Westteil — wo gestern gar nichts mehr lief — blieben auch im Osten zahlreiche Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen stehen. Der Berliner ÖTV-Vorsitzende Kurt Lange rechtfertigte die Kampfmaßnahmen im Osten damit, daß die Ostberliner Fahrer »regelrecht provoziert« worden seien. Dienststellenleiter hätten sie aufgefordert, während des Streiks der Westkollegen die U-Bahnen durch den Ostteil der Stadt zu fahren. Innensenator Heckelmann forderte die Oststreikenden auf, ihre Arbeitsniederlegungen zu beenden. Diese seien mit der »geltenden Rechtslage nicht in Einklang zu bringen«. Die ÖTV kündigte für heute wieder einen regulären Betrieb für den östlichen BVG- Bereich an.

Die Streikaktionen im Osten verschärften gestern die Situation auf den Berliner Straßen. Vor allem im Osten herrschten auf den größeren Straßen chaotische Zustände. Auch im Westen ging in den frühen Morgenstunden zeitweise nichts mehr.

Die gestrige zweite Streikphase der Gewerkschaften traf die Stadt mit voller Wucht. Neben der Berliner Stadtreinigung (BSR), wo rund 6.000 Beschäftigte in einen unbefristeten Ausstand traten, waren insbesondere die beiden Westflughäfen Tegel und Tempelhof betroffen. Wegen des Streiks von 250 Feuerwehrleuten mußte der Flugverkehr um 6 Uhr früh eingestellt werden. Dramatische Szenen spielten sich auf dem Ostberliner Flughafen Schönefeld ab, der von zahlreichen Fluggesellschaften ersatzweise genutzt wurde. Viele Fluggäste mußten stundenlang warten. Statt geplanter 57 Starts wurden hier im Laufe des Tages mehr als 100 Abflüge gemeldet.

Beeinträchtigungen mußten gestern auch die Bürger von Wedding, Steglitz und Kreuzberg hinnehmen. Neben den Behörden wurden dort auch die meisten Kitas bestreikt. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) waren davon rund 3.200 Kinder in den Ganztagsschulen und weitere 8.000 in den Kitas betroffen. Weitgehend ohne Konsequenzen blieb der Streik bei den Berliner Wasser-Betrieben.

Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) weitete hingegen ihren Streik gestern aus. Sie reagierte damit auf den Einsatz von Beamten als Streikbrecher, wie der Berliner Vorsitzende Bernd Lindenau erklärte. Betroffen waren auch das zentrale Paketamt und das Postgiroamt. sev

Siehe Seiten 3 und 22