PROZESS UM STAATSBELEIDIGUNG ENDETE MIT FREISPRUCH

Ist doch alles Banane

Münster (taz) — Bildet ein deutsches KFZ-Nationalitätskennzeichen — also jenes Oval mit einem D in der Mitte — mit einer hinzugefügten Banane und der Unterzeile „Bananenrepublik Deutschland“ eine Staatsbeleidigung? Eine endgültige Klärung dieser Frage konnte auch das Amtsgericht Münster gestern nicht liefern. Der Prozeß gegen einen 24jährigen Antiquitätenhändler, der einen solchen Aufkleber an seinem Auto befestigt hatte, endete mit einem Freispruch.

Allerdings ging der Angeklagte Rudolph B. nur deshalb straffrei aus, weil ihm persönlich keine „böswillige Verächtlichmachung“ der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung gemäß Paragraph 90a des Strafgesetzbuches nachgewiesen werden konnte. Zuvor hatte Rudolph B. erläutert, daß er den Aufkleber als „Gag“ oder „Satire“ betrachtet habe und sich damit im Ausland von mercedesfahrenden Landsleuten mit bananenlosen D-Stickern unterscheiden wollte.

Ähnliche D-Aufkleber kursieren seit den Bundestagswahlen 1986. Um gegen den Flick-Parteispendenskandal zu protestieren, hatten damals die Grünen Aufkleber drucken lassen, auf denen der Schriftzug „BRD“ durch Bananen dargestellt wurde.

Vor Gericht gebracht hatte Rudolp B. ein eifriger Ermittler der münsterschen Polizei. Nach einem Hinweis einer Bürgerin fahndete er nach dem Halter eines anderen Fahrzeuges mit eben jenem Aufkleber. Bei der Ermittlung vor Ort stieß er dann zufällig auf den Bulli von Rudi B., auf dessen Heck ebenfalls der inkriminierte Sticker prangte. „Wegen der Gleichbehandlung“ entschloß sich der Beamte, ebenfalls tätig zu werden. Laut Polizeiakten dauerten die Ermittlungen genau vom 18. Juni bis zum 5. November 1991. Beide Wagenhalter erhielten von der Staatsanwaltschaft Bußgeldbescheide in Höhe von 100DM.

Doch während Täter 1 die Summe bezahlte, rührte sich Rudolph B. nicht. Eine Vorladung der Polizei ignorierte er. Als dann die Nachricht vom Prozeß ins Haus flatterte, wandte er sich an den AStA der Universität. Die Studentenvertreter halfen mit ihrem Anwalt und druckten Flugblätter und Plakate, auf denen ebenfalls der Aufkleber prangte. Doch die Studierenden hatte ihre Rechnung ohne die gewissenhafte Staatsgewalt gemacht. In einer Blitzaktion durchkämmten am vergangenen Donnerstag eine Staatsanwältin, vier Kommissare und 15 Schutzpolizisten die AStA-Büros. Sie beschlagnahmten 215 Plakate, fünf Aufkleber und 869 Flugblätter. Ermittlungen gegen die Studentenvertreter ebenfalls wegen Verunglimpfung des Staates sowie wegen Veruntreuung (die Materialien sollen mit studentischen Geldern finanziert worden sein) sind noch nicht abgeschlossen.

In der gestrigen Verhandlung forderte der Staatsanwalt als Strafe gegen Rudi B. die Bezahlung von acht Tagessätzen à 50DM. In der Begründung für seinen Freispruch wies Richter Vogelberg darauf hin, daß der Angeklagte, der in seiner Jugend nur einmal wegen Fahrens ohne Führerschein belangt worden sei, im Verlauf des Prozesses erklärt habe, „daß er auf dem Boden der Verfassung stehe“. Zwar bilde der Aufkleber objektiv eine Verächtlichmachung, jedoch sei diese im verhandelten Fall nicht böswillig geschehen. Ob Rudolph B. nun riskiert, noch einmal verklagt zu werden, wenn er den Aufkleber nicht entfernt, ist nicht geklärt. Thomas Dreger