KOMMENTAR
: Machtvolle Zahnlosigkeit

■ Rückblick auf einen noch laufenden Streik

Machtvolle Zahnlosigkeit Rückblick auf einen noch laufenden Streik

Der ÖTV fällt offenbar nichts Besseres ein, als stets nur und ausschließlich „noch mehr Geld“ zu fordern. Verstehen wir uns nicht falsch: Reallohnverlust muß nicht sein. Aber dieses ewige einfallslose „Noch mehr Knete“ ist angesichts der real existierenden Probleme einfach nicht mehr angemessen. Was wir brauchen, ist nicht eine Art Turbolader des Kapitals, um zum Dank dann am Katzentisch auch noch Kaviarreste mitknabbern zu dürfen, sondern eine politische Gewerkschaft, die erkennt, daß der Staat schon bei der Lösung unserer einfachsten Probleme kapituliert — und die entsprechend eingreift.

Wer hindert die Gewerkschaften daran, in ihrem ehrenhaften Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf eigene Prozentpunkte zu verzichten? Warum sind ökologische Forderungen nicht längst im Zentrum gewerkschaftlicher Willensbekundungen? Bei der Macht dieses Apparates wären autofreie Innenstädte doch ein Kinderspiel! FCKW-Hersteller sähen vermutlich dumm aus der Wäsche, wenn nur ihre Betriebe bestreikt würden. Und die der Waffenproduzenten und -dealer. Und die der Giftgasanlagen-Exporteure, und ... von Dreckschleudern und anderen hochgefährlichen Anlagen ganz zu schweigen. Ja, da stünde alles still, wenn dieser starke Arm es denn nur wollte.

In Berlin zum Beispiel würden die Menschen alle verstehen, daß man einen städtischen Generalstreik so lange durchzieht, bis die Mieten im Schnitt auf 10 bis 20 Prozent eines Nettolohns runtergegangen sind. Warum keinen machtvollen Arbeitskampf für eine behindertengerechte Infrastruktur — in ganz Deutschland? Die Tatsache, daß der Gewerkschaft nichts weiter als Geld einfällt, macht sie — ganz unabhängig vom Erfolg dieser oder anderer Kampfmaßnahmen — zu einem letztlich zahnlosen Apparat. Es ist der kleine Teufel im Ohr des durchgeknallten Geisterfahrers, der ständig nur „Bleifuß“ zischt. Darauf können wir verzichten. Philippe André