Zahl der Totalverweigerer steigt

Schon rund 400 junge Männer verweigern sowohl den Kriegs- als auch den Zivildienst/ Bundestreffen der Totalverweigerer/ Verweigerung besonders stark in Berlin und Ostdeutschland  ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf

Die Zahl der jungen Männer, die nicht nur den Kriegs-, sondern auch den zivilen Ersatzdienst aus Gewissensgründen verweigern, ist seit der deutschen Vereinigung deutlich gestiegen. Während in der alten Bundesrepublik rund 50 Männer im Jahr als „Totalverweigerer“ gezählt worden seien, liege die Zahl heute bei rund 400. Besonders in Berlin und den neuen Bundesländern wachse die Abneigung gegen die Wehrpflicht. Mit dieser Einschätzung endete am Wochenende das „Bundestreffen der Totalen Kriegsdienstverweigerer“ in Bremen.

Drei Tage lang hatten sich rund 60 Totalverweigerer in einem Jugendfreizeitheim getroffen, um über ihre Situation und politische Zukunft zu beraten. Mehr als zehn Teilnehmer waren aus Ostdeutschland angereist. „Allein in Dresden wissen wir von 20 Fahnenflüchtigen, die sich zur Zeit vor den Feldjägern der Bundeswehr versteckt halten“, berichtete ein Teilnehmer des Treffens.

Während in der DDR die strafrechtliche Verfolgung von Totalverweigerern 1985 eingestellt worden sei, drohe ihnen nun nach den Bundesgesetzen wieder Knast bis zu fünf Jahren. Erst im April war in Berlin der erste Totalverweigerer aus der Ex-DDR zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Neben dem Austausch über Prozeßstrategien und Knasterfahrungen stand auf dem Bremer Treffen eine Diskussion zum Zusammenhang von Männlichkeit und Militarismus auf dem Programm. „Wir wollen ja kein paramilitärisch organisierter Zentralverband der Totalverweigerer sein“, sagte ein Sprecher, „uns geht es vor allem um den direkten persönlichen Austausch über die Gründe unserer Entscheidung.“

In ihrer Abschlußerklärung fordern die Totalverweigerer denn auch neben der völligen Abschaffung der Wehrpflicht eine „Entkriminalisierung von Kriegsdienstverweigerern“.

Immer wieder komme es dazu, daß Totalverweigerer sogar zweimal bestraft würden: Nach ihrer ersten Verurteilung bekämen sie eine zweite Einberufung, die dann bei fortgesetzter Verweigerung wiederum zu einer Verurteilung führe — „ein klarer Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung im Grundgesetz“, sagte ein Totalverweigerer.

Am Samstag hatten die Teilnehmer des Bremer Treffens mit einer Aktion in der Innenstadt auf ihre Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht aufmerksam gemacht. „Sich auch im Frieden dem Krieg total verweigern“ hieß die Parole auf einem großen Transparent, das von einem Dach über der Einkaufsstraße heruntergelassen wurde.

„Obwohl auch einige Fahnenflüchtige auf unserem Treffen waren, die die Bundeswehr aktuell sucht, hat uns die Bremer Polizei total in Ruhe gelassen“, lobte einer der Verweigerer.