Alte und neue Dokumente im Mielke-Prozeß

Der taz-Redakteur Götz Aly als Zeuge/ Vernehmungsprotokolle aus den 30er Jahren werden nicht zugelassen  ■ Aus Berlin CC Malzahn

Es passiert sehr selten, daß ein Gerichtsreporter während eines laufenden Prozesses von der Pressebank in den Zeugenstand gerufen wird. Genau das geschah gestern im Verfahren gegen Erich Mielke. Der Rollenwechsel betraf den taz-Redakteur Götz Aly, dessen in unserer Zeitung veröffentlichte Hintergrundberichte das Interesse der Staatsanwaltschaft geweckt hatten.

Götz Aly (45) war in den vergangenen Monaten mehrmals nach Moskau gereist, um dort in den Archiven der KPdSU, der Kommunistischen Internationale und der Moskauer Lenin-Schule zu recherchieren. Vor Ort hatte der promovierte Historiker dann Unterlagen gefunden, die belegen, daß Erich Mielkes früherer Mitbeschuldigter Erich Ziemer die Ermordung der beiden Polizisten am Berliner Bülowplatz am 9. August 1931 eingestanden hatte. Damit konnte Aly den Nachweis führen, daß die umstrittene erste Anklageschrift aus den dreißiger Jahren im Kern richtig ist.

Vor Gericht berichtete Aly über seine Recherchen in Moskau. Es sei nicht leicht gewesen, an das Material heranzukommen. Personalakten über Erich Mielke hatten ihm die Mitarbeiter mit der Begründung verweigert, sie lägen beim KGB. Aly wies darauf hin, daß im Parteiarchiv der KPdSU aber bis heute nicht historisch genau, sondern eher nach dem Prinzip „kommunistische Ehre statt Wahrheit“ gearbeitet werde.

Nach langem Hin und Her erlaubte man ihm schließlich den Einblick in die Akten von Ziemer, die Auskunft über dessen Zeit in der Moskauer Lenin-Schule — einer Emigrantenschule — geben. Darin fand sich unter anderem folgender brisanter Satz: „Meine letzte Arbeit (in Berlin, d. Red.) war die Bülowplatzsache, die ein anderer Genosse und ich zusammen ausführten.“ Mielke war mit Ziemer nach der Tat nach Moskau geflohen. Durch Alys Auftritt vor Gericht wurden die von ihm entdeckten Akten — die er zum Teil unvollständig vorfand — zu Urkunden geadelt. Zwei Vernehmungsprotokolle, die im Berliner Mielke-Prozeß der dreißiger Jahre eine wichtige Rolle gespielt hatten, werden vom Gericht dagegen nicht zugelassen. Die Aussagen wurden von zwei inhaftierten KPD-Mitgliedern gemacht. Das Gericht konnte gestern „nicht ausschließen“, daß die „polizeilichen Vernehmungen in den dreißiger Jahren mit unzulässigen Methoden geführt worden sind“. Über diesen Beschluß freuten sich Mielkes Verteidiger: Damit seien wesentliche Beweismittel der Staatsanwaltschaft vom Tisch, erklärte Mielkes Anwalt Stefan König nach der Verhandlung.

Wer die Artikel von Götz Aly nachlesen möchte, kann sie schriftlich oder telefonisch beim taz-Archiv unter der Nummer 030/25902-204 bestellen.