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Kritik der HUB-Beschäftigten an Personalgesetz

■ Gesetzentwurf des Senates zur Übernahme von Mitarbeitern der Ostberliner Hochschulen lückenhaft/ Behinderte werden nicht berücksichtigt/ Die Frauenquote an den Osthochschulen um mehr als 20 Prozent gesunken/ HUB müßte 400 Stellen streichen

Schöneberg. »Die Frauen sind mal wieder außen vor«, schloß die Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität (HUB) Gisela Petruschka ihren Redebeitrag bei einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses im Rathaus Schöneberg. Aber nicht nur die Frauen werden die Leidtragenden sein, sollte der vorliegende Entwurf der Berliner SPD/CDU-Koalition über ein »Gesetz zur Übernahme des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der Hochschulen im Ostteil Berlins« in der momentanen Fassung verabschiedet werden. Bei den Beschäftigten der Hochschulen, Fachhochschulen und bei Gewerkschaftsvertretern fand dieses Paragraphenwerk weitgehend Zustimmung, stieß jedoch auch auf Kritik. Die Betroffenen fürchten um ihre Stellen, besonders im Mittelbau. Die Grundlagen für Kündigungen seien nicht ausreichend angegeben, kritsierte ein Rechtsexperte.

Professoren sollen gemäß den Bestimmungen des Berliner Hochschulgesetzes berufen und nicht übernommen werden, Berufungsinstanzen seien allerdings nicht im Entwurf aufgeführt. Die Beschäftigten des Mittelbaus können auf ihren Antrag hin übernommen werden. Außerdem sind sogenannte Qualifizierungsstellen vorgesehen, in denen sich wissenschaftliche Mitarbeiter qualifizieren können, um später fest angestellt zu werden.

Ulrich Reinisch, Rektor der HUB, bezeichnete den Gesetzentwurf als »Kündigungsvereinfachungsgesetz für den akademischen Mittelbau«. Die Uni müßte 400 Stellen abbauen, um die bis zum 3.10.92 geforderte Sollstärke von 1.200 Mitarbeitern zu erreichen. Damit habe ein Drittel der Beschäftigten keine Chance auf eine Übernahme, so Reinisch. Günter Last, Vertreter der Akademischen Mitarbeiter (HUB), forderte eine personenbezogene Prüfung, wenn die Weiterbeschäftigung eines positiv evaluierten Mitarbeiters nicht vorgesehen sei. Der Mittelbau habe noch zu DDR-Zeiten einen erheblichen Beitrag zu Forschung und Lehre geleistet und dürfe jetzt nicht einfach gekündigt werden. Außerdem plädierte er für eine fünfjährige Übergangsfrist, damit sich Angestellte qualifizieren könnten. Es müsse zwischen Übernahmeverfahren und Kündigungen mangels fachlicher Qualifikation klar getrennt werden.

»Was passiert mit den Behinderten, Älteren und Alleinerziehenden«, fragte ein Vertreter des Personalrats der HUB. Zumindest sollte die Behindertenvertretung angehört und um Zustimmung gefragt werden. Der Gründungsdirektor der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, Jürgen Tippe, befand den Entwurf des Gesetzes als unzureichend. Er schlug vor, daß viele Professoren der ehemaligen Ingenieurhochschule Lichtenberg auf neu eingerichtete Stellen in der FHTW berufen werden könnten. Bisher habe man den Stellenbedarf nicht berücksichtigt. Die Personaldirektorin der Charité rief die Abgeordneten auf, ehemalige »Nomenklatura-Kader, die das frühere Herrschaftssystem nachhaltig unterstützt haben«, explizit als zu Kündigende aufzuführen.

Gisela Petruschka forderte, daß der Frauenanteil in der jeweiligen Statusgruppe gewährleistet werden soll. »Bei der momentanen Praxis des Personalabbaus ist der Frauenanteil von 54 auf 36 Prozent gesunken«, so die Frauenbeauftragte. Besonders betroffen seien habilitierte Frauen im akademischen Mittelbau. Dort waren ehemals 52 Prozent Frauen beschäftigt, jetzt nur noch 28. »Die Männer haben statistisch gesiegt«, so Gisela Petruschka.

Christiane Müller-Wichmann, Mitglied der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an Hochschulen, kritisierte, daß Frauen durch die Doppelqualifikation in ihrer Karriere behindert würden. Dabei könnten sie oft nicht die geforderte dreijährige Berufserfahrung vorweisen. Susanne Landwehr

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