... einen Mann umbringen

■ »Spätzünderinnen« vom Theater der Erfahrung mit »Tränende Herzen«

Tränende Herzen am Grab eines Herzenbrechers, dazu Vergißmeinnicht und Männertreu. Die Frauen, die ihren Schmerz über das andere Geschlecht einst in die Namen der Flora gepflanzt haben, weil sie mit den eigentlichen Adressaten nicht reden konnten, sind längst verblichen und vergessen. Ihr Schmerz nicht — daran erinnern noch immer die Namen der Blumen, die die Floristin und Hobbydetektivin so passend für das Grab des Gigolos fand. Ein toter Lebemann und Herzensbrecher: Eindeutig ein Fall für die zehn »Spätzünderinnen« vom Theater der Erfahrung. Mit ihrem neuesten Stück Tränende Herzen wollen sie beweisen, daß sie längst noch nicht jenseits von Gut und Böse sind, nur weil sie (zum Teil) das Rentenalter erreicht haben; in Improvisationen haben sie sich dieses Mal über ihre eigenen Liebes- und Beziehungsgeschichten hergemacht.

Daraus wurde der tragisch-komische Frauenkrimi Tränende Herzen. Er lebt von den Geschichten der Frauen, die, wie die Theaterleiterin und Regisseurin Johanna Kaiser erzählt, eines gemeinsam haben: die Angst, daß es ohne Beziehung nur noch schlimmer sein könnte, schimmert durch alle Lebensepisoden.

In den vorbereitenden Arbeiten hätten die Frauen immer wieder von Anpassung und von verpaßten, nicht ausgelebten Chancen und Erfahrungen gesprochen, erinnert sich die Regisseurin. Das waren Momente, in denen eine Sehnsucht nach den Freiheiten der heutigen Frauengeneration deutlich wurde. Momente, die aber auch das »Alles-vorbei-und-zu- spät« signalisierten. »Ich wollte aber, daß die Frauen über ihre Beziehungen und Ehen nachdenken und entdecken, daß es noch lange nicht vorbei ist«, erklärt Johanna Kaiser, die die Gruppe schon seit zwölf Jahren betreut. Hanne, die die ausgeflippte und rebellische Schwester der Leiche spielt und im Stück auch die lesbische Liebe entdeckt, sieht rückblickend mehr Trauriges als Schönes in den Beziehungen. Die schlechten Erfahrungen überwiegen ihrer Ansicht nach die Momente des Glücks — aber sie erkennt mittlerweile auch ihren eigenen Anteil am Leiden. Zuviel Sorgen und zuviel Gedanken habe sie sich um letztendlich halb so Tragisches gemacht. Ihr Tip für die jüngere Generation: Nehmt alles nicht so dramatisch — und vor allem: »Diskutiert eure Beziehung nicht tot, liebt euch lieber zu Tode.«

Egal wie wir's nun machen: Mag man dem Theater der Erfahrung glauben, ist der Tod mit der Liebe wohl unausweichlich verbunden. Ist darum auch der Krimi die einzig angemessene Form, in der die Spätzünderinnen ihre Beziehungen auf- und bearbeiten können? »Irgendwann haben wir festgestellt, daß wir alle schon mal liebend gerne einen Mann umgebracht hätten — da bleibt also nur ein Krimi übrig«, geben die zwölf Frauen nach der vierstündigen Probe bei Kaffee, Keksen und Schmalzbroten zu und lachen. Klar. So ist das Leben — und die Liebe. Klar ist auch, daß jede der Frauen, die trauernd um das Grab des Gigolos stehen, die Mörderin hätte sein können. Aber nur eine war's — aber auf die kommt die Floristin und Hobbydetektivin — stets zur rechten Zeit am falschen Ort— gerade nicht: Wie könnte sie auch? So gerecht und einfach geht es in der Liebe und im Leben schließlich auch nie zu.

Eine andere Gruppe aus dem Kreis der Gruppen aus dem Theater der Erfahrungen, Rheuma's Töchter, fühlen sich ausgerechnet im SO36 recht am Ort. 1949 — Szenen aus einem Berliner Tanzcafé spielen und singen sie heute nachmittag in der Kreuzberger Kiezdisco. Durch die Wahl des Spielortes wollen sie auch die jüngere Generation in ihr Stück locken. Panik vor den Kiez- Autonomen kennen die Rheuma's Töchter nicht. Im Gegenteil. Nur immer her damit, meint Annemarie Sokoloff, die zusätzlich auch bei den Tränenden Herzen ihr Berliner Temperament auslebt: Sie habe schließlich auch noch genug Saft... Petra Brändle

Aufführungstermine: 1949 — Szenen aus einem Berliner Tanzcafé : heute 16 Uhr, So 36.

Tränende Herzen : morgen, 16.30 Uhr, Seniorenfreizeitheim Bülowstraße 94; 9.5., 17 Uhr, Zinzendorfgemeinde, Holzmannstraße 34; 18.5. Uhr in der Kirchengemeinde Gropiusstadt, Joachim- Gottschalk-Weg 39