Keine Wiederholung des Kita-Streiks

■ Diesmal streiken die Erzieherinnen nicht für bessere Bedingungen, sondern für mehr Geld/ In sechs Bezirken sind 172 Kitas zu/ In Tiergarten sind alle Kitas geschlossen — per Bezirksamtsbeschluß

Berlin. Wo sonst Kinder toben, herrscht seit Montag Funkstille. 172 Kitas blieben nach Angaben der GEW gestern geschlossen. Gestreikt wurde in Kreuzberg, Wedding, Steglitz, Spandau, Neukölln und Tiergarten. Reihum sollen alle Westberliner Bezirke zwei Tage bestreikt werden. Notdienstvereinbarungen gibt es bisher nicht.

Sabine M., Erzieherin in einer Kita in der Moabiter Wyclefstraße, genießt im Kita-Garten den ruhigen Tag. 14 ErzieherInnen kümmern sich hier sonst um 135 Kinder. »Auf unseren normalen Personalschlüssel kommen wir aber nie«, sagt Sabine M. Noch am Montag sei ein Erzieher mit drei Gruppen alleine gewesen. Doch die ErzieherInnen streiken nicht für bessere Arbeitsbedingungen, sondern für mehr Geld. »Einen zweiten Kita-Streik wie 1989 wird es nicht geben«, sagt Barbara K. Keine ihrer Forderungen aus dem Kita- Streik nach kleineren Gruppen und mehr Personal sei erfüllt worden — »jetzt ist die Luft raus«.

Vor der Kurt-Tucholsky-Grundschule, in der gestern und heute die Ganztagsbetreuung ausfällt, holt Helga Bonk ihre Enkelin Jacqueline ab. Die Eltern der Siebenjährigen müssen arbeiten. »Ich finde es nicht richtig, daß immer die Kinder leiden müssen«, sagt sie. »Zumindest Notdienste müßte es geben.« In Tiergarten liegt die Kinderbetreuung komplett lahm. Per Bezirksamtsbeschluß bleiben für zwei Tage alle Kitas zu. Zu diesem Schritt habe man sich entschlossen, »um die Lage mit den Gewerkschaften nicht eskalieren zu lassen«, teilte der leitende Fachbeamte Bernd Lübke der taz mit. Außerdem sei unklar gewesen, inwieweit der Betrieb aufrechtzuerhalten gewesen wäre. Das Verständnis der Eltern hält sich in Grenzen. »Es gibt wohl keine Berufsgruppe, die mehr Grund hat zu streiken«, sagt Birgit Fleischmann, Mutter von zwei Kindern. »Aber wenn ErzieherInnen nicht streiken und die Kita ist trotzdem zu, ist das ein Unding.« Auch Vater Hans-Joachim Neubauer läßt seinem Ärger freien Lauf. »Die sitzen in der Sonne, und ich stehe im Schatten«, erregt er sich — in seiner Küche das Mahl für die Ersatzgruppe bereitend.

Die Streikbeteiligung in den übrigen Bezirken war unterschiedlich. Während in Spandau 43 von 45 Kitas geschlossen blieben, waren in Neukölln 14, in Wedding 13, in Steglitz 24 Kitas offen. Ab heute wird in Charlottenburg, Reinickendorf und Tempelhof gestreikt. jgo