Kammerrichter gegen schwules »Vorspiel«

■ Schwuler Sportverein darf nicht in Leichtathletikverband

Schöneberg. Auch wenn deutsche Richter das Wort schwul ohne rot zu werden in den Mund nehmen können, fällen sie trotzdem noch lange keine schwulenfreundlichen Entscheidungen. Ein Zivilsenat des Kammergerichts erklärte gestern den Ausschluß des schwulen Sportvereins »Vorspiel« aus dem Berliner Leichtathletikverband (BLV) für rechtens. Drei ergraute Herren kamen nach einer Stunde Verhandlung zu dem Schluß, daß Vorspiel als Aufnahmevoraussetzung seinen »provokativen« Namen ändern müsse. Sie bestätigten damit ein Urteil des Landgerichts vom September 91, gegen das die schwulen Sportler Berufung eingelegt hatten.

»Wir haben es hier mit einer Veranlagung zu tun, deren Träger in der Bevölkerung gewissen Belästigungen ausgesetzt sind«, zeigte sich der Vorsitzende Richter Otward Lönnies erst verständnisvoll. Da Schwule ein Recht hätten, auf unkomplizierte Weise Möglichkeiten ihrer Freizeitgestaltung zu finden, sei gegen das Wort schwul im Vereinsnamen »nichts einzuwenden«. Diese Kennzeichnung, so Lönnies, liege »insbesondere im Interesse der Heterosexuellen, die nicht in eine solche Gesellschaft hineingeraten wollen«.

Allerdings führe die Kombination der Wörter schwul und Vorspiel zu »gewissen Mißdeutungen«: »Als stimulierende Betätigung vor dem Sexualakt bekommt Vorspiel in Verbindung mit schwul eine eindeutig sexualbetonte Bedeutung.« Die Kombination könne man keineswegs als witzig abtun, wies Lönnies die Begründung der schwulen Sportler zurück. Er stellte sie vor die Alternative, eine der beiden Bezeichnungen aus dem Vereinsnamen zu streichen.

»Leichtathletik kennt kein Vorspiel«, entrüstete sich auch der Rechtsanwalt des Leichtathletikverbandes, Hans-Werner Müller. In seinem Plädoyer hatte er auch darauf beharrt, daß das Wort schwul aus dem Vereinsnamen verschwindet. Ein derart gekennzeichneter Sportverein provoziere nicht nur andere Verbände, sondern grenze auch Heterosexuelle aus. Diesen »Verstoß gegen die integrative Idee des Sports« konnte Müller beim Post-, Behinderten- oder Frauensportverein allerdings auf Nachfrage nicht entdecken.

Noch am gestrigen Abend wollten die schwulen Sportler über ihr weiteres Vorgehen beraten. Im Vorstand zeigte man sich uneins, ob man aus Kostengründen — das Verfahren verschlang bislang 6.000 DM — lieber auf den Namenszusatz Vorspiel verzichten oder vor dem Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung herbeiführen solle. Vorspiel-Mitglied Christian Denzin regte an, die Schwulenbewegung für den Gang nach Karlsruhe zur Kasse zu bitten. Von den Schwusos in der SPD wurde das Urteil des Kammergerichts im übrigen scharf kritisiert. Micha Schulze