Himmlische Ruhe auf dem Rhein-Main-Airport

Flughafen-Feuerwehr begann den Streik um Mitternacht/ Fluggäste nahmen Widrigkeiten eher gelassen in Kauf/ Gesellschaften transportieren Passagiere mit Bussen ins Ausland/ Der Flughafen-Sozialdienst hat Hochbetrieb  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Nichts ging gestern auf Frankfurt Rhein-Main, dem zweitgrößten Flughafen Europas, rein gar nichts. Rund 800 Flüge sind seit Mitternacht ausgefallen, still und verwaist liegt das Rollfeld seit den frühen Morgenstunden da, kein einziger Start, keine Landung. Die Anzeigetafeln machen es deutlich: London, Genf, Kopenhagen, Nizza, Venedig, vorne steht die reguläre Abflugzeit, dahinter das Wort „Annuliert“. In der Ankunftshalle, ein Stockwerk tiefer, zeigen die Tafeln, wo es sonst noch langgeht. Hier ist ungefähr die Hälfte der Flüge ausgefallen, der Rest umgeleitet worden. Wer Fluggäste abholen wollte, erfährt hier wenigstens, wo sie gelandet sind, zum Beispiel in Stuttgart, Amsterdam oder, aus Toronto und Washington kommend, in Leipzig. Von dort fahren sie in Bussen nach Frankfurt weiter. Leipzig konnte allerdings nur für wenige Flüge aus Ausweich-Stelle genutzt werden, um Passagiere in benachbarte Länder zu bringen. Die schweren Übersee-Maschinen können dort aus technischen Gründen noch nicht starten.

Die Fluggäste tragen ihr Schicksal mehrheitlich mit Fassung. Rentnerinnen, krisenerprobt und reisegewohnt, haben sich schon vorher auf lange Wartezeiten zum Flug in ihr spanisches Domizil eingestellt. Sie packen gelassen die Käsebrote und die Thermoskannen aus und lehnen sich anschließend zu einem Nickerchen in die Sessel. Die Streikenden, die in ihren roten Plastikumhängen durch das Terminal gehen und Flugblätter verteilen, verzeichnen, von Ausnahmen abgesehen, „große Zustimmung“. Obwohl im Flughafen nur ein Drittel der insgesamt 12.000 Arbeiter und Angestellten gewerkschaftlich organisiert sind, stand alles von Anfang an still, weil die 200 Feuerwehrleute als erste Abteilung in den Ausstand traten. Daraufhin ruhte der Verkehr auf ministeriellen Erlaß aus Wiesbaden hin sofort „aus Sicherheitsgründen“.

Wolfgang Schwalm von der Flughafen Aktiengesellschaft (FAG) kommt allerdings, im Gegensatz zu den Flugbewegungen, an diesem Morgen nicht zur Ruhe. Im Pressezentrum schellen die vier Telefone unentwegt. Die Fluggesellschaften, wie zum Beispiel die Lufthansa, die tags zuvor noch auf die harte Linie setzten, haben Busse gechartert, um die Fluggäste auf Ausweichflughäfen in Luxemburg, nach Amsterdam, Maastricht und Straßburg zu transportieren. 600 Fahrzeuge sind in den letzten Tagen geordert worden. Verspätungen schon am Montag, weiß ein Linien-Angestellter, sind auch darauf zurückzuführen gewesen, daß die „Logistik des heutigen Tages vorbereitet werden mußte“.

An den Bussen drängen sich die Passagiere eher diszipliniert. Sie werden über Luxemburg nach Venezuela reisen. Nur ein älteres Ehepaar ist sauer. Es wurde das Opfer des kombinierten Streiks: 17 Stunden sind sie schon unterwegs, um aus einem Vorort von Hamburg mit der Bahn erst einmal zum Abflugsort Frankfurt zu gelangen. Rainer Ortlepp von der „Condor“ scheint im Trubel erst richtig munter zu werden. Auch er konstatiert eine eher gelassene Stimmung. Am Servive-Telefon seien die Leute „enorm höflich“ gewesen. Auch bei seiner Linie geht es in Richtung Ibiza, Kuba und Puerto Plata erst mal per Bus los. Besonders bemerkenswert findet er eine Umleitung nach Miami via Paderborn über Palma.

Währendessen ruht der Verkehr auch beim offiziellen Airport-Bus nach Heidelberg und bei der Gepäckannahme der Bundesbahn. Schilder verkünden: „Streik!“

Der Notdienst der Fluggast-Gepäckaufbewahrung sieht den Streik allerdings sehr kritisch. Das sei gar kein richtiger Streik, moniert ein Emigrant: „Wenn das wirklich einer wäre, dann dürfte hier gar nichts mehr gehen, auch keine Busse ins Ausland!“ Nur der Flughafen-Sozialdienst hat zu tun. Er wird 30 AsylbewerberInnen aus Asien versorgen müssen, die im Auffanglager in Schwalbach vorerst nicht unterkommen werden. Dort wird auch gestreikt.