Aus Flüssen wurden Sandwüsten

■ In Simbabwe, eigentlich ein Getreideexportland, wird wegen der Dürre, die den halben Kontinent betrifft, gehungert

Mühsam schleppt sich die Nilpferdkuh in der erbarmungslosen Mittagshitze durch den Sand. Ab und an dreht sie sich um — zu dem wenige Monate alten Kalb, das ihr unsicher folgt. Auf der verzweifelten Suche nach Wasser und Weiden müssen die Nilpferde kilometerlange Wanderungen durchstehen. Denn das Bett des Runde-Flusses ist eine 200 Meter breite Sandwüste. Spuren von Löwen, Giraffen, Elefanten, Büffeln, Zebras und Antilopen führen zu den wenigen Tümpeln, in denen noch eklig grünes, abgestandenes Wasser zu sehen ist — zu wenig für tonnenschwere Nilpferde. „Nilpferde sterben zuerst“, erklärt Luke Njiva, Wildhüter der Naturschutzbehörde von Simbabwe. „Die brauchen Gras und Wasser. Wo es noch Wasser gibt, ist kein Gras mehr. Und wo es noch Gras gibt, gibt's kein Wasser.“ Die Nilpferdkuh verschwindet gerade mit ihrem Kalb um eine Biegung des Flusses. „Die beiden?“ Njiva schüttelt den Kopf. „In zwei, drei Tagen spätestens sind sie tot.“

Die schwerste Dürre im südlichen Afrika seit Menschengedenken hat die Region um den „Ghona Re Zhou“-Nationalpark im Südosten Simbabwes besonders schwer getroffen. Nur ein Zehntel der normalen Regenmenge ist gefallen. Zuckerrohrplantagen, sonst saftig grüne Fruchtbarkeit schlechthin, sind ausgetrocknet und vergilbt wie Stroh. Maisfelder sind wie leergefegt, Gras, Weide gibt es nicht mehr. Halbverhungerte Kühe, jeder Knochen unter der Haut zu erkennen, schleppen sich zwischen den Kadavern ihrer verendeten Herdengenossen herum. „Es ist eine Tragödie“, sagt ein weißer Farmer, einer der wenigen in der Region, der noch Rinder hat. „Früher hat man für eine fette Kuh 1.000 Simbabwe-Dollar [etwa 330 Mark] bekommen. Jetzt gibt's höchstens 140 Dollar [40 Mark].“ Und kein Schlachthaus will noch Tiere annehmen. Denn Tausende mußten schon notgeschlachtet werden: Letztes Jahr gab es 24.000 Rinder, heute nur noch 9.000. Doch der Markt für Rindfleisch ist begrenzt: Maul- und Klauenseuche ist weitverbreitet. Vom Schlachten bedroht sind auch Elefanten — „Ghona Re Zhou“ heißt „Tempel der Elefanten“ — und andere Tiere. Das Fleisch aus der Notschlachtung wird an die schwarzen Kleinbauern der Region verteilt. Denn diese sind von staatlicher Hilfe abhängig — wenn sie nicht schon verhungert sind.

Statt wie in guten Jahren 500.000 Tonnen Getreide zu exportieren, ist Simbabwe dieses Jahr auf Einfuhren angewiesen. Gebraucht werden etwa zwei Millionen Tonnen. Und die Importe, meist über Südafrika, laufen nur langsam an. Mehrere hundert Meter lange Schlangen vor den Geschäften sind nicht ungewöhnlich. Auch kam es schon in verschiedenen Orten zu Lebensmittelunruhen. Die Polizei wird eingesetzt, um Lieferwagen zu schützen, obwohl Maismehl aus Sicherheitsgründen nur noch nachts geliefert wird.

Die Dürre verschärft die politische Krise

Für die Regierung von Präsident Robert Mugabe verschärft die Dürre eine schon seit Jahren schwelende politische Krise. Simbabwes Wirtschaft leidet unter einer Inflationsrate von über 30 Prozent und unter lähmenden Handelsdefiziten. Die Zahl der Arbeitslosen wächst ständig. In einem von der Landwirtschaft abhängigen Land hat die Regierung die an Produzenten gezahlten Preise in den letzten Jahren absichtlich niedrig angesetzt, um möglichen Unmut unter den städtischen Wählern durch billige Lebensmittel entgegenzutreten. Aber viele Kleinbauern haben deshalb keine Überschüsse mehr produziert, so daß das Land in den letzten Jahren keine Getreidereserven aufbauen konnte. Solche Ungereimtheiten sollen eigentlich durch ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) finanziertes Strukturanpassungsprogramm behoben werden. Aber die Dürre hat dieses Programm praktisch zum Erliegen gebracht. Es gibt Berichte, daß zum Teil zermahlene, mit Sand gemischte Rinde gegessen wird. Hunderte von Schulen haben keine Lebensmittel und kein Wasser, um ihre Schüler zu ernähren. Schüler werden ohnmächtig, weil sie hungern.

Bei „Gona Re Zhou“ erzählt man sich vom Schicksal einer Frau, deren Mann in der Stadt arbeitete. Wochenlang saß sie mit fünf Kindern in ihrer Hütte und wartete auf das Geld, das der Mann regelmäßig aus der Stadt zu schicken pflegte. Da machte die Frau sich auf, um ihren Mann zu suchen. Die Kinder konnte sie nicht mitnehmen. Nach einigen Tagen kam sie zurück. Sie hatte ihren Mann nicht gefunden. Ihre Kinder jedoch waren inzwischen verhungert. Da erhängte sie sich... Hans Brandt,

Chiredzi (Simbabwe)