Tote Mapute sprechen zu uns

■ Große Ausstellung aus der Frühzeit Lateinamerikas im Übersee-Museum eröffnet

Nur leicht unter der sandigen Erde verschüttet liegen sie zu tausenden im Norden Chiles in dem schmalen Küstenstreifen, die Mumien aus der Zeit der Frühkulturen. Eine dieser Mumien, die Kultgegenstände jener Stämme, die Rauschmittel, Kopfbedeckungen und „sprechenden Tafeln“ sind für vier Wochen in einer großen Ausstellung des Überseemuseums zu bewundern. „Dreitausend Jahre, bevor die Ägypter ihre Pharaonen mumifiziert haben“, erklärt Hernan Puelma, Geschäftsführer des Archäologischen Museums, der dieser Tage zur Eröffnung der Ausstellung nach Bremen kam, „haben Indio-Stämme offenbar alle ihre Toten so konserviert“: Haut abgezogen, Eingeweide herausgenommen, präpariert, Haut aufgesetzt, Haare arrangiert. Welche anatomischen Kenntnisse müssen sich über Jahrhunderte gesammelt haben!

Das Instrumentarium der Priester, mit dem sie ihre Drogen einnahmen, bevor sie die Menschenopfer für die Götter bereiteten, die nach Stammeskasten verformten Schädel, Tonschmuck und weitere Zeichen der anderen lateinamerikanischen Vergangenheit sind sorgfältig zusammengetragen und in Vitrinen geordnet. „Hier sollen die indigenen Völker allein zu Wort kommen“, erklärt Dr. Heintze vom Überseemuseum, „das ist unser Beitrag zum Kolumbusjahr“. Denn die kolonialen Eroberer zerstörten bzw. vernichteten die Bewohner des fremden Kontinents und ihre Kultur so gnadenlos, daß heutige Nachkommen die „sprechenden Tafeln“ ihrer Vorfahren nicht mehr entziffern können. Auch eines der seltenen Exemplare dieser beschnitzten Hölzer zeigt die Ausstellung. Es fällt auf, daß Fruchtbarkeits-Bildnisse nicht ausgestellt sind. Der Fruchtbarkeitskult bezog sich im kargen Nordchile im Unterschied zu anderen Frühkulturen ganz eindeutig auf die „Mutter Erde“.

Die chilenischen MuseumsVertreter haben den reich bebilderten Katalog übersetzt, in einem begleitenden Programm soll ab dem 19.5. in acht Veranstaltungen Gelegenheit sein, das „Chile Indigena“ kennenzulernen. Die Ausstellung soll im Kolombusjahr in Europa wandern: Aus Genf kam sie nach Bremen, bisher einzige Ausstellungs-Stadt in Deutschland. Die wenigen tausend Überlebende der indianischen Hochkulturen selbst scheinen übrigens keinen Anteil an dem europäischen Jubiläumsjahr zu nehmen.

K.W.

geöffnet 7. Mai bis 14. Juni, Di-So 10-18 Uhr

Begleitprogramm: 19.5. Mit brennender Geduld, Film über Pablo Neruda

22.5. Wohin gehen die geträumten Dinge. Ein Dialog, vorgelesen und auf der Gitarre begleitet

25.5. Mapuche-Indianer gestern und heute, Vortrag mit Lichtbildern von Prof. Schindler, München

26.5. Die nationale und die Indianerfrage, Vortrag Prof. F. Mires, Oldenburg

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