Erstes Urteil wegen Brandanschlag

■ Mitglied der „Penny-Crew“ wegen „Nichtanzeige“ verurteilt / Brandstifter weiter belastet

Ein erstes Urteil fiel gestern im Zusammenhang mit dem Brandanschlag am „Tag der Deutschen Einheit“, dem 3.10.1991, auf das Asylbewerberheim in der Schwachhauser Heerstraße 110. Der 24jährige arbeitslose Betonbauer Andreas B. wurde vom Amtsgericht zu 2.400 Mark Geldstrafe verurteilt. Er wußte als Mitglied der Schwachhauser „Penny-Crew“, zu der auch die drei Brandstifter gehörten, von den Vorbereitungen des Anschlages, hatte jedoch weder die Polizei noch die gefährdeten Flüchtlinge davor gewarnt. Amtsrichter Ulrich Hoffmann wertete dies als strafbare „Nichtanzeige eines Verbrechens“ und sah nur deshalb von einer Freiheitsstrafe ab, weil Andreas B. ein volles Geständnis abgelegt hatte.

„Sie haben hier ehrlich ausgesagt. Und das ist Ihnen im Rahmen alles anderen, was in diesem Zusammenhang passiert, nicht hoch genug anzurechnen“, sagte der Richter unter Anspielung auf das Verfahren vor dem Landgericht, in dem sich zur Zeit die drei Brandstifter wegen versuchten Mordes verantworten müssen (vgl. taz vom 25./30.4.). Entgegen deren Aussagen, bei der „Penny-Crew“ habe es sich lediglich um eine unpolitische Jugendclique gehandelt, stufte Andreas B. die Gruppe gestern als „rechte Gruppe, deren Grundeinstellung gegen Ausländer gerichtet ist“ ein. In seiner Vernehmung bei der Kripo hatte B. die „Penny-Crew“ sogar mehrmals ausdrücklich als „ausländerfeindlich“ bezeichnet.

Während die drei vor dem Landgericht angeklagten Brandstifter ihre Motivation damit erklärt hatten, daß sie „ein Zeichen gegen Dealer“ hätten setzen wollen und rechtsradikale oder ausländerfeindliche Einstellungen weit von sich wiesen, kam das Problem des Drogenhandels in B.'s Aussage gestern überhaupt nicht vor. In der Gruppe sei es „gegen alle Ausländer“ gegangen, erklärte er, und da sei eben die Idee entstanden, am Tag der Deutschen Einheit den Bewohnern des „Asylantenheims einen Denkzettel zu verpassen“.

„Ich selber halte von solchen Aktionen nichts, denn damit kann man sowieso nichts verändern“, sagte B. gestern. Bedauern über den auch von ihm nicht vereitelten Brandanschlag war ihm allerdings — trotz mehrmaliger Nachfrage des Richters — nicht zu entlocken. Auch als er am Morgen nach dem Anschlag davon erfahren hatte, habe er nur gedacht: „Jetzt haben die Idioten das doch gemacht. Aber ich hätte sowieso nicht verhindern können.“ Als B. am Abend zuvor beobachtet hatte, wie die drei Brandstifter tatsächlich Molotow-Coctails bastelten und sich auf den Anschlag vorbereiteten habe er sich lediglich bald aus dem Staub gemacht, „denn sonst hätte man doch mit dringehangen“.

„Sie sind der typische Mitläufer“, bescheinigte Richter Hoffmann dem Angeklagten B. für seine „feige Haltung“. Noch nicht einmal für einen „anonymen Anruf bei der Polizei, der das Schlimmste verhindert hätte“, habe B. die nötige „Zivilcourage“ gehabt.

Nachdem B., der ohne Anwalt vor das Amtsgericht gekommen war, sein Urteil gestern sofort annahm, steht er nun als Zeuge für das Hauptverfahren vor dem Landgericht zur Verfügung. Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach, der auch dort die Anklage vertritt, machte sich gestern eifrig Notizen. So zum Beispiel als Andreas B. einen der drei Brandstifter so charakterisierte: „Der läßt sich sowieso nichts erzählen, der ist viel auf Gewalt aus.“ Dirk Asendorpf